Warum Greta Thunberg recht hat – am Beispiel der Bahn

Die Umweltaktivistin Greta Thunberg wird angefeindet. Und zwar in einem Ton, der einem geradezu den Atem verschlägt. Erwachsene Männer beschimpfen sie in sozialen Netzwerken wahlweise als „Klimafaschistin“ oder „verhaltensgestört“. Aber warum eigentlich? Die Wissenschaft ist sich seit Jahrzehnten einig: Wir steuern auf eine Klimakatastrophe zu. Gäbe es intelligentes Leben im Weltall, es würde uns für grunddämlich halten. Weil wir unsere eigene Lebensgrundlage zerstören, ohne einen Planeten B zu haben.

Greta Thunberg hat also absolut recht, wenn sie sagt:

„Sie reden nur deswegen vom ewigen Wirtschaftswachstum, weil Sie Angst haben, unpopulär zu sein. Sie sprechen immer nur davon weiterzumachen, mit denselben schlechten Ideen, die uns in diese Misere gebracht haben. Dabei wäre es das einzig Sinnvolle, die Notbremse zu ziehen. Sie sind nicht erwachsen genug, um das so zu formulieren. Selbst diese Bürde überlassen Sie uns Kindern.“

Klimaschutz in der Praxis

Große Probleme zeigen sich oft in kleinen Dingen. Wenn es schon im Kleinen unmöglich scheint sich in die richtige Richtung zu bewegen, wie soll es dann schon im Großen klappen? Greta Thunberg fliegt nicht mehr. Nach Davos ist sie 32 Stunden lang mit dem (Nacht-)Zug gefahren. Während ich das hier schreibe sitze ich gerade im Zug von Frankfurt am Main nach Berlin. Ich bin auf dem Heimweg von einer Lesung. Insgesamt bin ich hin und zurück 12 Stunden unterwegs.

Nun könnte man ja meinen: In einem Land, welches sich den Klimaschutz auf die Fahnen geschrieben hat, müsste ich als Bahnfahrer finanziell besser weg kommen, als Menschen, die mal eben schnell mit dem Flugzeug von Berlin nach Frankfurt jetten. Vor allem, da ich sogar eine Bahncard 50 besitze und nur 2. Klasse fahre. Aber, was soll ich sagen… Nope.

Rechenbeispiel: Berlin-Frankfurt

Hier ein kleines Rechenbeispiel aus der Praxis. Mit einer Bahncard 50 2. Klasse kostet das Ticket Berlin-Frankfurt (Main) z.B. heute in einem Monat zum Standardtarif hin und zurück 132 Euro. Wenn ich Glück habe gibt es noch ein paar restliche Sparpreistickets. Aber selbst dann käme ich im günstigsten Fall für mein Zeitfenster auf 74,80 Euro. Meistens sind die Sparpreistickets bereits ausverkauft. Der realistischere Preis wäre also 132 Euro. Wer bequem reisen will, muss aber noch einmal fast 10 Euro drauf schlagen für die Sitzplatzreservierung. Während ich das hier tippe, sitze ich zwischen zwei Taschen eingeklemmt im Gang.

Nur einmal zum Vergleich: Wäre ich geflogen, hätte ich 60 Euro bezahlt. Und zwar für den Hin- und Rückweg. Hier einmal exemplarisch eine Verbindung für die selbe Strecke heute in einem Monat. Entscheide ich mich für die klimafreundlichere Bahnoption, zahle ich im schlechtesten Fall mehr als das Doppelte. Zur Einordnung: Bei einem Flug fallen ganz grob geschätzt 10 Mal so viel CO2 an, wie beim ICE. Sieht so kluge Verkehrs- und Klimapolitik aus? SRSLY?

Im Nachtzug nach Davos? Nope…

Ich liebe Bahn fahren. Nicht nur des Klimas wegen, aber auch. Beim Fliegen habe ich das Gefühl, den Tag damit zu verbringen, ständig irgendwo anzustehen. Allein schon das Abtasten in der Sicherheitskontrolle (z.B. zwischen den Brüsten und am Arsch) bereitet mir schlechte Laune. In der Bahn kann ich gleich den Rechner aufklappen und arbeiten. Es gibt sogar hin und wieder gutes Internet. Ich würde sehr gerne auch bei Abendveranstaltungen mit dem Zug anschließend noch am selben Abend nach Hause zurückfahren. Das ging früher gut. Jetzt mache ich das nur noch in Ausnahmefällen. Denn die Bahn hat mittlerweile die meisten Nachtzug-Trassen an die ÖBB ausgelagert (Nightjet). Dadurch gilt dort mein Bahncard-Rabatt nicht mehr. Auf diese Weise hat sich der Nachtzug von der pragmatischen Lösung zum Luxusgut gemausert.

Es lohnt sich oft eher, die Nacht über ein Hotel zu nehmen und am nächsten Tag mit der Bahn zu fahren. Angesichts der Tatsache, dass ein Flugticket wie gesagt 60E hin- und zurück kostet sind solche Kosten nicht bei jedem Veranstalter vermittelbar. Ich bin aus vollster Überzeugung Bahnpendler. Mein Auto habe ich verkauft. Aber ich lebe in einem Land, in dem die klimafeindliche Reise-Option Flugzeug bei Inlandsreisen mit dem 10fachen CO2-Ausstoß mit einem Ersparnis von 50% belohnt wird. Selbst mit Bahncard 50. Das ist doch gaga.

Fazit: Do Panic!

Statt eine Kerosin-Besteuerung oder zusätzliche Abgaben für innerdeutsche Flüge ins Spiel zu bringen, beklagt sich der Bahn-Beauftragte der Bundesregierung noch, dass die Sparpreise der Bahn zu günstig seien. Es ist wirklich zum Haare-Raufen. Was soll man noch dazu sagen: Ein Hoch auf die Bahnprivatisierung! (Die Anstalt hat hierzu eine ganz wunderbare Sendung gemacht…) Wenn die Bundesregierung wieder etwas von grüner Mobilität erzählt, dann weiß ich nicht, ob ich lachen oder weinen soll. Ich habe nicht das Gefühl, dass man das Problem auch nur ansatzweise ernst nimmt.

Greta hat recht. Und sie weiß es auch. Diese 16jährige verhält sich ehrlich gesagt erwachsener als so manches Experten-Gremium der Bundesregierung.


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14 Kommentare

  1. Fliegen ist soviel billiger, weil jeder Flug über Tochterunternehmen auch Fracht mitnimmt. Das Geschäft mit den Fluggästen an Bord ist nebensächlich, es liegt an unserem Einkaufsverhalten, Online-Shopping, mit den Bananen und Erdbeeren aus aller Welt subventioniert jeder die eigendlichen Flug-Tickets.

  2. Die BAHN AG ist keine „Planwirtschaft“, sondern eine AG (dass die Aktienmehrheit immer noch der BRD gehört, tut nix zur Sache, denn die verhält sich wie ein neoliberaler Shareholder das eben tut -nix Planwirtschaft). Die Schweizer Staatsbahn ist Planwirtschaft, die ist pünktlich, sicher und sauber. Könnte billiger sein, wenn Klima-, Umwelt- und Ressourcenverluste gegenüber Flugreisen eingepreist würden, ist aber immer noch billiger als dt.Bahn -wenn man nicht 5 Stunden hinter Spartickets herlaufen will für den 2-Std.-Trip.

  3. Zum letzten Satz: Zur Verteidigung diverser „Experten-Gremien“ muss man ergänzen, dass das Problem oft nicht in den Ratschlägen von Experten liegt, zumindest wenn es sich renommierte Wissenschaftler im jeweiligen Fachbereich handelt und nicht selbsternannten Experten wie jene Lungenärzte, die die letzten Wochen durch die Medien geisterten. Das Problem ist oft eher, dass die Politik auf diese Fachleute nicht hört. Bspw. fordert der wissenschaftliche Beirat des Bundesverkehrsministeriums seit vielen Jahren die Einfühung von Tempo 130 auf Autobahnen, die Einführung einer Regelgeschwindigkeit innerorts von 30 km/h oder auch die Besteuerung von Kerosin bzw. den Einbezug des Luftverkehrs in den Emissionshandel.

    Links: https://tu-dresden.de/bu/verkehr/ila/ifl/ressourcen/dateien/kooperation/beirat/2010/wissenschaftlicher-beirat-gutachten-2010.pdf
    https://tu-dresden.de/bu/verkehr/ila/ifl/ressourcen/dateien/kooperation/beirat/2008/Stellungnahme_des_Beirats_beim_BMVI_2008_Strategien_zur_Minderung_der_CO2_Emissionen_im_Verkehrssektor.pdf

  4. Ihr habt Recht. Alle Beide! Auch, wenn man den Fahrpreis per Bahn sicher noch besser hinbekommen kann.
    Ich wohne nahe einer Kleinstadt im ländlichen Raum. Früher einmal ging hier eine Bahnlinie durch von der nächsten größeren Stadt im Norden bis zur nächsten größeren Stadt im Süden. Diese Bahngleise wurden zum großen Teil abgerissen. Es war eine politische Entscheidung. Um den Autoverkehr zu fördern. Das ist jetzt schon ziemlich lange her. Aber wirklich geändert hat sich Nichts. In der kleinen Straße vor unserem Haus wurde vor ein paar jahren 30Km/h eingeführt. Kontrolliert wird es nicht. Der Gehweg vor unserem Haus ist an einer Stelle nur einen halben Meter breit. Genau an dieser Stelle fahren LKWs gerne über den Bürgersteig bei Gegenverkehr. Die Straße ist einfach zu eng. Ein Verbot für LKW Durchgangsverkehr? Ist nicht in Sicht. Verkehrsberuhigung, z.B. durch geschützte Parkplätze am Straßenrand? Ist nicht in Sicht. Füßgängerüberweg? Ampel? Geschwindigkeitskontrolle? Nichts dergleichen. All das könnte ja den Autoverkehr behindern.
    Busverbindung? Ja, es gibt eine. Ich muss 30 Minuten gehen bis zur Bushaltestelle, und fahre dann zweieinhalb Stunden mit dem Bus bis in die nächste größere Stadt. Der Bus fährt auch nur tagsüber. Spät Abends fährt kein Bus mehr.
    Alles in Allem: Es hat sich Nichts geändert. Panik ist in der Tat angesagt.

  5. Die Bahn in Deutschland ist halt einfach zum Kotzen. Ein klassisches Beispiel für verkorkste Planwirtschaft.
    Bei knapp 4l/100km pro Person finde ich fliege nicht annähernd so verwerflich, wie einem immer eingeredet wird, Fernbus finde ich auch angenehm, aber in diese Dreckszüge bekommt mich kein Mensch mehr rein, zumindest nicht, solange sich die DB nicht mal anfängt zu bemühen.

  6. […] Nun besteht das Problem beim vergleichsweise komfortablen und von mir daher geschätzten Bahnfahren insbesondere darin, dass das Ausgeben von mehr Geld sich kaum vermeiden lässt, denn selbst als Zubringer zum Flugzeug ist die Bahn ein finanziell nachteiliges Verkehrsmittel. Sauberkeit kostet. Ein Kommentator unter dem themennahen Blogartikel von Katharina Nocun erfasste korrekt: […]

  7. Leider, ist das Alles richtig! Dem widerspricht auch nicht, dass man Preislich einige Ausnahmen finden kann, letztendlich gibt es ja auch teurere Flüge auf den Strecken.
    Doch hier geht es ja um die grundsätzlichen Gegebenheiten. Vielleicht wird das Klimaengagement abgelehnt, weil man sich sonst seinen Kindern gegenüber schuldig fühlen oder sich das Fehlverhalten eingestehen müsste.

  8. Lieber Christoph,

    es ist die Hin- und Rückfahrt. Daher ist der Preis so hoch.

    LG

    Kattascha

  9. Ich gebe Greta Thunberg genauso Recht wie du es tust. Umso bedauerlicher finde ich, dass du unnoetigerweise genau dieselben Aepfel-und-Birnen-Vergleiche bei planbaren Reisen anstellst wie viele andere das in den letzten Wochen auf Twitter getan haben.

    Stand heute sind fuer den 7. Maerz ganze 11 Fahrten Berlin→Frankfurt mit BC50 zum Sparpreis von 14,50 EUR zu haben. Weitere 6 Sparpreise gibt’s fuer 19,40 EUR, und nochmal 2 fuer 22,40 EUR. Zugegebenermassen werden sich „nur“ etwa 5 dieser Sparpreise zeitlich so ausgehen, dass sie fuer einen Fruehtermin passen, aber dein Argument war ja das des Preises, nicht das der Fahrzeit.

    In der Rueckrichtung sind es gar 9 Sparpreise fuer 14,90 EUR, und 7 fuer 19,40 EUR. Insgesamt 5 davon passen grob in dein Rueckreisefenster.

    Die Bahn macht es zugegeben nicht einfach, passende Sparpreise pro Tag zu finden. Wenn wir aber ueber planbare Reisen sprechen, sollte zum Vergleich aber auch eben nicht bahn.de gegen eine Billigflug-Suchmaschine antreten muessen, sondern wenigstens ein Werkzeug wie bahn.guru. Alles andere klingt nach den vielen Diskussionen dazu auf Twitter fuer mich langsam einfach nur nach Lazy Storytelling.

  10. Grundsätzlich kann ich dem nur zustimmen. Doch 132 Euro scheint mir hier der Preis *ohne* Bahncard zu sein.

  11. Eng auf Deutschland betrachtet habt ihr alle recht, nur geht es nicht um das Weltklima? In Deutschland werden jedem populistischem Trend folgend Milliarden für den Umweltschutz investiert. Was in anderen Ländern möglich ist, gilt aber nicht grundsätzlich auch für Deutschland. Wir sind Transitland NR.1 in Europa, von unseren Straßen profitieren alle zulasten der Bevölkerung. Egal aus welcher Windrichtung, wir bekommen den Dreck anderer ab. Aber damit nicht genug, auf der einen Seite wird der Ausstieg aus der Kohleverstromung gefordert und auf der anderen Seite verpufft Ökostrom, weil die gleichen Gegner den Anschluss verhindern, ohne Sie an Lösungen zu beteiligen. Noch ein Wort zu Greta Thunberg, in Schweden wird pro Kopf mehr Kohle verbraucht als in Deutschland, mehr Holz verheizt. Auch hier das Grundproblem, es geht um das Weltklima.
    Dazu aber müssten die Milliarden die wir hier verpulvern, dort eingesetzt werden, wo sie dem Weltklima nutzen, in Südamerika, Afrika oder Asien. Dort wo wegen Palmöl, Holzkohle, Rohstoffen, Plantagen und vermeintlich notwendiger Ackerfläche riesige Waldflächen abgeholzt werden. Auch und das muss kritisch hinterfragt werden, haben wir überhaupt die Auswirkungen der Natur auf das Klima richtig verstanden, wie Polverschiebungen und die sich permanent ändernde Umlaufbahn der Erde um die Sonne. Vieles was machbar erscheint, verändert permanent die Lebensplanung von Menschen, schränkt hier Freiheiten ein, die in anderen Teilen der Welt auch zukünftig nicht einmal denkbar sind.

  12. Stimme Ich voll zu! Manchmal kommst Du noch gut mit dem Sparpreis für 19.90 ohne BC aber den musst du lange vorher kaufen.
    Auch blöd ist, dass Nachtzüge noch eine Art Hotelsteuer bezahlen müssen, stehende Unterkünfte müssen das nicht:(

  13. Warum machen wir das? Seit Beginn der 80er Jahre geht diese Debatte in Deutschland – ob nun Waldsterben oder Atomkraft oder Tempolimit oder sonstwas – um die Feststellung, dass wir als Menschen uns mit dem Verheizen fossiler Brennstoffe keinen Gefallen tun, dass wir auf Kosten der Zukunft leben, dass wir unsere Lebengrundlagen nachhaltig zerstören, …
    Und wir machen einfach weiter. Regen uns vielleicht mal punktuell auf, aber im Großen und Ganzen beschleunigen wir den Raubbau noch. Woher kommt diese kollektive kognitive Ignoranz in allen Gesellschaftsschichten?
    Jeder Einzelne findet das schlimm, erfindet vielleicht noch mehr oder weniger glaubhafte Ausreden („Ich muss das Auto nehmen, weil kein Bus fährt/es so oft regnet/ich wichtige Papiere dabeihabe/mein Chef das so will/ich sonst schwitze/…“) – und weiß doch, dass er nur sich selbst belügt. Denn weder Klima noch Umwelt interessieren sich dafür. Es wird an Schulen gepredigt und im Fernsehen propagiert – und wir machen stur weiter, wählen immer die gleich Leute, die wie wir nichts tun und nur ab und zu wohlfeile Reden halten.

    Es ist mir ein Rätsel. Wir könnten ja – und tun nichts.

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