Lüge und Verrat in der Politik

Würde ein Krimi über die Einführung der Vorratsdatenspeicherung in Deutschland geschrieben werden, der passende Titel wäre wohl „Lüge und Verrat“. Heiko Maas ist ein Genosse, auf den man sich verlassen kann. Das mag ein Grund sein, warum er aus dem fernen und kleinen Saarland überraschend ins große Berlin auf den Posten des Justizministers befördert wurde. „Ich organisiere meinen Tagesablauf komplett mit der Hilfe von computergestützter Datenverarbeitung“, gab er 2009 in einem Interview als saarländischer Spitzenkandidat bekannt. Und: „Ich glaube nicht, dass diese Welt Killerspiele oder Paintball-Schwachsinn braucht.“ Ein Verbot von beidem könnte er sich daher vorstellen. So war er, der junge Maas.

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Keiner hätte damit gerechnet, dass sich ausgerechnet eben dieser Heiko im Jahr nach Snowden, nach dem Blutbad bei Charlie Hebdo, öffentlich und mit Nachdruck gegen die Vorratsdatenspeicherung stellt. Groß war das Erbe von Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, an dem er sich messen wollte. Aber es gibt eben diesen einen Punkt in der Karriere jedes Politikers, an der man sich entscheiden muss. Die ehemalige Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger trat einst wegen des großen Lauschangriffs zurück. Und blockierte später, wieder im Amt, die Vorratsdatenspeicherung. Heiko Maas arbeitete statt dessen brav im stillen Kämmerlein mit dem Innenministerium einen Gesetzentwurf für die Vorratsdatenspeicherung aus. Keiner soll sagen, er hätte sich seinen Platz im Justizministerium nicht ehrlich verdient. Keiner soll sagen, man könne sich nicht auf ihn verlassen. Das sehen heute diejenigen, die sich auf seine Absage an die Rundum-Überwachung verlassen haben nur eben ganz anders. Wer einmal lügt, dem glaubt man nicht.

SPD-Chef Sigmar Gabriel hat es weit gebracht. Ein paar Lügen mehr für die Vorratsdatenspeicherung fallen da kaum noch ins Gewicht. Breivik wurde gar nicht mit Vorratsdatenspeicherung gefasst? Die Vorratsdatenspeicherung hat das Blutbad von Charlie Hebdo nicht verhindert? Das erste Gesetz zur Vorratsdatenspeicherung war gar nicht von Schwarz-Gelb sondern Schwarz-Rot? Fußnoten der Geschichte, die sich versenden. Und inzwischen gehört es doch auch zum guten Ton im politischen Berlin, wenn Gesetze anschließend von Karlsruhe kassiert werden: Wer nicht wagt der nicht gewinnt. Und so passt es, wenn der SPD-Berichterstatter im Rechtsausschuss meint, man könne das Gesetz zur Vorratsdatenspeicherung ruhig abnicken, weil Karlsruhe es schon „nicht komplett kassieren wird“. Statt einer Vorratsdatenspeicherung für 80 Millionen bräuchte es eine Verratsdatenspeicherung für einige wenige Politiker. Das wäre wahrlich grundrechtsschonend. Der Fall der Vorratsdatenspeicherung zeigt, warum Sie ihrem Gebrauchtwagenhändler auch weiterhin mehr vertrauen sollten als Ihren Angestellten im Bundestag.

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Der verzweifelte Versuch von Maas, seinen Gesetzentwurf als grundrechtsschonend zu verkaufen scheitert an trivialen Herausforderungen der digitalen Realität. Beispiel gefällig? Eine Passage, die pressewirksam „Datenhehlerei“ unterbinden soll kann am effektivsten gegen Whisleblower eingesetzt werden. Edward Snowden? Das wäre mit Vorratsdatenspeicherung nicht passiert. Passend, denn am 6. Juni jähren sich die Enthüllungen von Snowden zum zweiten Mal. Einen Tag nachdem der kleine SPD-Parteitag die Vorratsdatenspeicherung abnickt, hat Edward Snowden Geburtstag. Die Lehre der Sozialdemokraten aus NSA & Co.: Mehr Überwachung wagen.

Sabine Leutheusser-Schnarrenberger hat sich mit der Ablehnung der Vorratsdatenspeicherung einen Namen gemacht. Heiko Maas ist vor Parteichef Gabriel eingeknickt. Und nickt nun die Vorratsdatenspeicherung ab. Einen einzigen eigenen Akzent konnte Heiko Maas setzen, der unvergessen bleibt: Den Verrat. Es gibt eben noch Dinge auf die ist Verlass. Auch in der Politik.


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9 Kommentare

  1. Ich wäre aus gegebenem Anlass für die Einführung eine Three-Strikes-Regelung!

    Nein, im Ernst:

    Ein Politiker, der 3 mal einem Gesetz zugestimmt hat, das anschließend vom Bundesverfassungsgericht kassiert wird, ist offensichtlich für sein Amt als Volksvertreter und Wahrer des Grundgesetzes und der FDGO nicht geeignet und wird deshalb fristlos aus diesem entfernt, unter Verlust aller damit verbundenen Privilegien und Pensionsansprüche. Diese werden verwendet, um die durch das betreffende Gesetz entstandenen Kosten zu kompensieren

    Hätten wir eine solche Regelung, wären die meisten dieser Sicherheitsesoteriker bereits weg vom Fenster und der Rest wäre SEHR vorsichtig bei neuen Beschlüssen. Chilling Effect mal anders rum.

  2. @Flo Die beiden waren bei der Demo gegen VDS vor dem SPD-Parteikonvent.

  3. Ich glaube nicht, dass diese Welt einen Justizminister Heiko Maas braucht.

  4. Off topic: hast du vielleicht Hintergrundinfos zu dem VDS-Gang-Bild, Katharina?
    Wer sind die beiden, und von welchem Event stammt die Aufnahme?

  5. Als Politiker richtet man sein Fähnchen nach dem Winde. Das war selbst bei Adenauer schon so und wird sich wohl leider auch nicht ändern. Ich schliesse nicht aus, das Maas sich auch mit dem Scheitern des Gesetzes wieder versucht zu profilieren. Trotzdem schade das es gestern keine Überraschung gab.
    Auf jeden Fall danke für den Einsatz, sehr plakativ unter anderem auch im Video auf N24 zu sehen. Ich hatte gar nicht realisiert neben wem ich da…ähm.. rumstehe ;). Aus den Kommentaren im Netz wage ich abzuleiten das es wenig Bürger gibt die jetzt aufatmen weil die SPD der VDS zugestimmt hat. Sprich es ist keiner dankbar für den angeblichen Sicherheitsgewinn. Und es wurde auch deutlich das dass Thema eine breite Bevölkerungsschicht betrifft. Es hilft nur weiter aufzuklären und da hab ich als positives Ergebnis von gestern grad ein paar mehr Interessierte als üblich.

  6. Das ist wirklich ein gruseliger Tag für uns alle. Besonders bedauerlich ist das ganze natürlich auch für die vielen Aktivisten die sich für unsere Bürgerrechte stark gemacht haben. Und bedauerlich ist das damit auch für die Blogbetreiberin hier. Trotzdem haben wir natürlich euer Engagement nicht vergessen und sind euch auch dafür dankbar.

    Jetzt werdet ihr (leider wieder mal) eure Kontakte im juristischen Umfeld aktivieren müssen um das gefühlte hundertste Mal diesen verfassungswidrigen Dreck zu kippen. Ich wünsche uns allen viel Glück dabei.

    Desweiteren tut sich langsam die Frage auf: Was machen wir mit den verfassungsfeindlichen Organisationen CDU/CSU und SPD?

  7. Einmalig gut: „Statt einer Vorratsdatenspeicherung für 80 Millionen bräuchte es eine Verratsdatenspeicherung für einige wenige Politiker.“
    Danke für diesen treffenden Artikel!

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