Das Internet ist Schuld (AfD – Teil 42)

Wir machen es uns derzeit zu einfach. Um den Aufschwung der Rechten zu begreifen reicht es nicht mit dem Finger auf soziale Netzwerke zu zeigen. Keine Frage, Filter-Bubbles und „Fake-News“ (oder besser: Propaganda) in sozialen Netzwerken sind ein Verstärker. Sie sind aber nicht die alleinige Ursache. Wie immer ist es kompliziert.

Die Rolle der klassischen Medien

Fakt ist, dass nicht etwa die Publikationsplattformen (Compact, Junge Freiheit, etc…) der neuen Rechten mit ihren Facebook-Posts über Le Pen, Trump und AfD am meisten Menschen erreicht haben, sondern die altehrwürdigen Massenmedien in Print, Online und TV. Viele Redaktionen haben es sich nicht nehmen lassen, über das mediale Skandal-Stöckchen der Neuen Rechten zu springen und immer neue kalkulierte Tabubruche in die beste Sendezeit zu heben. Wie oft war die AfD zu Gast in Talk-Shows geladen und garantierte dort mit unerträglich menschenverachtender Zuspitzung Spitzenquoten? Wie viele von uns haben sich darüber beschwert und doch immer brav eingeschaltet, weil wir ebenfalls der Lust am Skandal auf den Leim gegangen sind? Das Internet ist nicht Schuld. Wir hätten das auch ganz gut ohne Facebook & Co. hinbekommen. Nicht die Neuen Medien haben die Neue Rechte hochgeschrieben sondern die alten Medien und auch wir selbst wurden durch gezielte Skandalisierung gehackt.

Wohlfühlblasen

„Filter-Blasen“ sind kein Phänomen des Internets. Wir filtern auch im Analogen unseren Freundeskreis nach Interessen und politischer Kompatibilität. Wir suchen in der Freizeit lieber Orte auf, an denen wir uns unter „Unseresgleichen“ fühlen. Der Kreuzberger Hipster fährt nicht nach Berlin-Lichtenberg in die Eckkneipe, um mit dem angeblichen „besorgten Bürger“ ins Gespräch zu kommen sondern besucht lieber intellektuelle Diskussionsabende. Der mediale Mythos, die rechten Wähler wären die „Abgehängten“, stimmt außerdem nicht. Es sind vor allem ältere, teilweise gut abgesicherte Männer – auch in unseren Familien – die plötzlich AfD-Thesen vertreten und gegen Migranten holzen. Familien-Diskussionen beim Weihnachtsessen haben daher insgesamt womöglich größeren Einfluss auf die Neue Rechte gehabt als Fake-Zitate bei Facebook von Renate Künast. Auch Medien-Filterblasen gab es schon immer. Wer Links war hat schon immer eher TAZ statt FAZ gelesen. Schließlich will man seine Meinung lieber bestätigt als widerlegt haben. Das gilt für alle politischen Schattierungen. Natürlich, im Internet skalieren bestimmte Effekte ungemein stärker. Der Netzwerkeffekt bedingt, dass Facebooks Quasi-Monopol wächst und gedeiht und neben dem Hetz-Post Werbung geschaltet wird. Aber so ganz neu ist das nicht. Traurig aber wahr: „Lichternhagen“ hat 1992 auch ohne Facebook gebrannt. Analog funktioniert das Geschäft mit der Angst ebenfalls prächtig: Würstchen- und Bierstände haben am Tatort ihr Geschäft mit dem Mob gemacht.

Skandale, Skandale, Skandale!

Nun könnte man ja sagen: „Jaja, aber Facebook rankt die kontroversen Artikel, also oftmals Hass-Posts, höher weil sie häufiger geklickt werden um ihre Werbegelder zu maximieren“. Das ist richtig, aber so ganz neu ist das auch nicht. Unser Aufmerksamkeits-Algorithmus ist nicht immer von Nächstenliebe geprägt. Vor Facebook sind Menschen bereits besonders langsam an Autounfällen auf der Gegenfahrbahn vorbeigefahren um zu gaffen. BILD-Schlagzeilen mit polarisierenden Titeln und Seite-Drei-Striptease haben bereits Auflage und damit Werbeeinnahmen gebracht, da wusste man noch gar nicht, dass das im digitalen Raum später „Clickbait“ heißen würde. Und die „Yellow Press“ hat mit „Gerüchten“ um Royal-Affären und Promi-Schwangerschaften Millionen verdient – fällt das nun unter „Fake-News“? Im Kern ist es unsere Unvollkommenheit und Anfälligkeit, an die Algorithmen angepasst werden – nicht umgekehrt. Der Algorithmus von Facebook & Co. ist so wie er ist, weil wir uns online nicht anders verhalten als offline. Wir lesen gerne Trash und Müll. Natürlich gelten auch online die üblichen Regeln der Maximierung des Unternehmensgewinns. Natürlich ist das bei Facebook besonders schlimm, weil es ein Monopol ist. Aber dann lasst uns doch lieber über Ursachen, also Monopole, reden und nicht über Symptome.

Alte Strukturen

Wir können soziale Probleme nicht mit Technik lösen. Es ist wichtig zu verstehen, dass bei der Mobilisierung der Rechten heute keine weltbewegenden neuen Mechanismen am Werk sind als in den 1930ern. Unsere ganze Gesellschaft driftet nach Rechts, das ist Fakt. Mehr als 1000 Anschläge auf Flüchtlingsunterkünfte im Jahr 2015 haben wir nicht Facebook sondern, unbehelligt gewachsenen Neonazi-Strukturen zu verdanken. Der Verfassungsschutz (Stichwort NSU) war jahrelang auf dem rechten Auge blind. Geschlossene Weltbilder und einfache Feindbilder funktionieren auch ohne „Facebook-Fake-News“ ausgezeichnet. Studien attestieren seit Jahrzehnten einem beachtlichen Anteil der Bevölkerung fremdenfeindliche Ansichten. Es war nur eine Frage der Zeit, bis eine rechte Partei auf den Plan tritt, die geschickter agiert als in den 90ern die Republikaner. AfD & Co. knüpfen an gewachsene Strukturen an. Das Potential war in all den Jahren da. Es gibt zwei Methoden ein System zu hacken: Über die Maschine oder über den Menschen. Die Neue Rechte hat leider letzteres geschafft. Und genau da müssen wir ansetzen.

Neuer Frust

Nicht Big Data hat die Wahlen entschieden, Big Data hatte auch das Clinton Team, sondern der große Frust einer wachsenden Gruppe der Bevölkerung. Unsere Probleme sind recht analog und gar nicht mal so sehr digital. Die zügellose Globalisierung macht den Menschen zu Recht Angst: Unsere Kinder werden es nicht mehr automatisch besser haben als wir. Globale Konzerne haben längst die Finanzkraft kleiner Staaten erreicht. Regierungen betteln unterwürfig mit möglichst niedrigen Umwelt-, Arbeits- und Steuerstandards um Arbeitsplätze. Trump nennt das „Deals machen“, dabei biedert er sich ganz besonders an. Bei der Finanzkrise wurden Verluste auf den Staat abgewälzt und nach der Krise fehlt noch immer die Finanzmarkttransaktionssteuer. Für die Linke ist es besonders frustrierend, wenn jetzt ausgerechnet eine neoliberale Rechte wie AfD oder Trump die Wütenden mit dem trügerischen Versprechen der Flucht ins Nationale mobilisieren kann. Dass die AfD wie keine andere Partei für soziale Spaltung steht, wird ausgeblendet. Wer noch nie an der Macht war hat weniger Wahlversprechen gebrochen. Wenn der Wille es „denen da oben“ mal richtig zu zeigen groß genug ist, sieht man über Macken (Spendenskandale, Meineid, etc…) hinweg. Was dabei herauskommt, wenn aus Wut ein Molotowcocktail gewählt wird, sieht man derzeit an Trump: Chaos. Doch wenn man Trump Twitter wegnehmen würde, würde es nicht besser. Schließlich hätte er dann immer noch die Codes für die Atomraketen. Das Problem ist analog noch viel bedrohlicher.

PS

Ja, wir müssen über Soziale Netzwerke reden. Aber bitte fundamentaler und grundsätzlicher. Wir müssen über Ursachen und nicht Symptome reden. Was ich damit genau meine habe ich bereits vor Jahren für ZEIT ONLINE aufgeschrieben. Ich bleibe dabei: Wir müssen soziale Netzwerke regulieren, sonst ist die Demokratie in Gefahr. Aber den Rechtsruck allein darauf zu schieben – damit machen wir es uns zu einfach. Artikel gegen Rechts auf Facebook liken wird uns nicht retten. Bereitet Euch lieber auf die nächste Familien-Diskussion an Ostern vor – oder ruft mal Euren AfD-Problemfall in der Familie wieder regelmäßig an. Das bringt mehr.


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7 Kommentare

  1. Zusätzlich drehen sich meine Sorgen in Verbindung mit der AfD um religiöse Inhalte, nicht nur Politische. Obwohl die beiden Themen oft gemeinsame Schnittmengen aufweisen. Dazu wären beispielsweise zwei Artikel zu empfehlen die bei hpd erschienen sind.

    „Klerikal-aristokratische Vernetzung in der „Alternative für Deutschland“ (AfD)“ von Andreas Kemper
    https://hpd.de/artikel/11143

    und

    „Die AfD ist die Speerspitze des christlichen Fundamentalismus“ von Frank Nicolai / Florian Chefai

  2. Moin!

    Die von dir angesprochenen „Ausländerfeinde“ von der AfD spielen doch das Spiel der Reichen und Mächtigen: Erbschaftssteuer abschaffen, Deregulierung….

    Die vertreten nun wirklich nicht die Interessen der kleinen Leute…

    Die AfD steht für ein neoliberales Wirtschaftssystem.

    Grüße,

    Katta

  3. Moin Robert,

    ich schreibe in meinen Artikeln das was ich für wichtig halte. Es steht Dir frei einen eigenen Blog zu betreiben um die von dir angesprochenen Punkte dort unterzubringen. Ich für meinen Teil habe da keinen Bedarf.

    Herzliche Grüße

  4. Hallo

    Was mich interessiert wäre wie jemand, der wie die Autorin Freiheit für Edward Snowden fordert und gegen die Vorratsdatenspeicherung mobil macht, gleichzeitig aber fordert das die sozialen Netzwerke reguliert werden müssen?

    Und wie stehen Sie dazu das auch linke und Linksradikale Gruppen soziale Medien für ihre Propaganda bzw. ihre Fake News einsetzen? Soll die von ihne geforderte Regulierung nur die neue Rechte betreffen?
    Was ist wenn eine linke Organisation dazu aufruft AFD Wahlplakate zu zerstören?
    Ist das für sie auch eine Grund einzugreifen und zu regulieren ?

    Die Aufrufe aus dem linken Gewaltbereiten Spektrum die es jeden Tag in den Sozielen Medien gibt werden leider in ihrem Beitrag nicht mit einem Wort erwähnt.
    Sowas ist schaden und stärkt nur die Menschen die von Lügen Presse usw. sprechen.
    Wenn man über Probleme in den Sozialen Medien sprichte sollte man nicht zu einseitig aus
    seiner persönlichen Ansicht schreiben.

    Und ist eine Meineid eines Politikers für Sie wirklich nur eine „Macke“ ?

    Was mich aber am meisten wundert und schon fast belustigt ist die Tatsache das die Autorin sich gegen die Vorratsdatenspeicherung engagiert.
    Wenn man aber sich dan mal das Impressum der Seite anschaut und dann den Punkt
    „Zugriffsdaten/ Server-Logfiles“
    anschaut was für Daten hier gesammelt werden, was zwar sehr ehrlich ist daas genau anzugeben aber trotzdem doch ein komisches Licht auf ihre Einstellung zum Datenschutz wirft.

  5. Hallo Katharina,

    die „sozialen Netzwerke“ bestanden vor FB und Co in den Eckkneipen, den Golfplätzen, den Wartebereichen der Frisörläden, den Haltestellen usw. dieser Republik. Da wurde mit Sicherheit auch viel Politisches besprochen. Die ein oder andere Parole ausgegeben. Und womöglich hätte ein Aufruf zum Aufstand oder zur Demo mehr Zeit in Anspruch genommen.
    Heute hängen die Leute am Smartphone, reagieren auf Fakenews mit Kommentaren und Likes. Sicherlich ist der Aufruf zu einer Demo jetzt schneller verteilt, dennoch werden nicht unbedingt mehr Leute kommen. Eine Fakenews kann genau so schnell widerlegt werden, wie sie entstanden ist. Egal aus welchem Lager sie kommt.
    Ich denke eine Demokratie muss das aushalten. FB und Co zu regulieren halte ich für den falschen Weg. Mich persönlich erschreckt eher der Begriff Rechtsruck in diesen Zusammenhang. Das ist kein Ruck, dass ist eine Tendenz über eine längere Zeit, auch ausserhalb soz. Netzwerke. Da brauche ich nur mal mit Leuten zwischen Dresden und dem Erzgebirge reden. Die Politik wollte das Problem nicht sehen und das war auch am Sonnenblumenhaus 1992 in Lichtenhagen so.

    Gruß
    Torsten

  6. Die Quintessenz des Artikels hat denselben wohl gerettet. Sonst hätte man sehr scharf kritisieren müssen. Trotzdem ist beim eigentlichen Denkansatz im Artikel schon einiges schiefgegangen.
    Du gehst ganz naiv davon aus, dass die AfD böse ist und „die Linke“ gut ist.
    Diesen Ansatz verfolgst du ganz klischiert und argumentbefreit.

    Stattdessen solltest du einfach mal für einen Augenblick in Erwägung ziehen, dass die „Rechten“ (Ausländerfeinde etc.) vielleicht in einigem recht haben könnten.

    Vielleicht simmt einiges von dem was die sagen?

    So lange du diese Zweifel nicht hast, so lange wirst du mit deiner Darstellung im Bornierten verharren. Und damit auch die Rechten stärken.
    Denn: Eine Politik die grundsätzlich schief läuft, wird notwendigerweise zur Radikalisierung führen und damit in der Regel auf kurz oder lang zu einem autoritären System.

    Und richtigerweise hast du im Artikel gesagt, wir müssten über die Ursachen reden. Leider hast du die Ursachen dann (wieder) nur klischiert benannt (mit der Phrase „Angst vor Globalisierung“ etc.).
    Aber eigentlich müsstest du es doch besser wissen. Wenn wir über die Ursachen reden wollen, dann geht es nicht darum über Propagandaphrasen („besorgte Bürger“, „Angst vor Terror“, „Angst vor Globalisierung“ etc.) zu reden, sondern dann geht es um eine einzige Sache.
    Wir sprechen dann übers Wirtschaftssystem. Fehlt dir der Mut dazu?

    Dieses Wirtschaftssystem, mit seinen impliziten Konzentrationsentwicklungen im Bereich von Politik und Wirtschaft, führt geradewegs in den Faschismus. Diesen banalen Satz traust du dich nicht auszusprechen. Und warum? Dann bist du nämlich raus aus dem Spiel.

    Denn vor der Hetzjagd auf die AfD-Leute gab es auch schon mal die Hetzjagd auf die Systemkritiker.

    Beide Hetzjagden haben/hatten übrigens nur eines zum Ziel: Die Macht des Establishments aufrechtzuerhalten. Und damit die immer größeren Machtkonzentrationen in den Händen einiger weniger.

  7. Moin Moin,

    du hast wohl mit deinen Punkten recht.

    Was mich allerdings im Umgang mit der AFD immer wundert ist, das sich die „Öffentlichkeit“ zumeist mit den rechten Ansichten der AFD beschäftig (natürlich zurecht), aber sich kaum mit den neoliberalen Aspekten dieser Partei auseinander setzt. Was du hier geschrieben hast, habe ich noch nie bewusst in den Medien wahrgenommen. Ich selber denke, das man zumindest viele sog. Protestwähler von der AFD fernhalten könnte, wenn dieser Punkt öffentlich mehr beleuchtet würde. Dieser Punkt wird aber von den meisten Medien ignoriert, bzw. nur am Rande behandelt. Aber wie gesagt, kann dies doch ein Weg sein die AFD wieder zu schwächen….

    Frei nach Volker Pispers… Die AFD ist eine Mischung aus NPD und FDP, Nationalkapitalisten… Von beidem das Schlimmste.

    Die sozialen Medien sind hier ja letztendlich nur ein Werkzeug der Kommunikation, aber nicht die Ursache des erstarken der neuen (neoliberalen) Rechten…

    Mfg
    Basti

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