Ich habe vor einigen Wochen ein Auskunftsersuchen an die EU geschickt, da ich Zugang zu Dokumenten bezüglich der Verhandlungen zur geplanten innereuropäischen anlasslosen Vorratsdatenspeicherung von Fluggastdaten im EU-Rat haben wollte. Eine Abstimmung über die umstrittene Vorratsdatenspeicherung von Passagierdaten wurde immer wieder kurzfristig verschoben. Voraussichtlich soll nun in der Woche vom 22-25 April abgestimmt werden.
Die Brüsseler Antwort war äußerst unbefriedigend:
„Damit der Rat Kompromisslösungen finden und in schwierigen Fragen Fortschritte erzielen kann, ist es unverzichtbar, dass die Delegationen intern in den Vorbereitungsgremien des Rates ihre Standpunkte darlegen können. Würde bei noch laufenden Verhandlungen der Standpunkt namentlich genannten Delegationen bekanntgegeben, so würde dadurch diese Möglichkeit in Frage gestellt und nach Auffassung des Generalsekretariats der Beschlussfassungsprozess des Rates erheblich beeinträchtigt.
Da es keinerlei Anhaltspunkte dafür gibt, dass ein überwiegendes öffentliches Interesse die Freigabe dieses Dokuments rechtfertigt, ist das Generalsekretariat zu dem Schluss gelangt, dass der Schutz des Beschlussfassungsprozesses gegenüber dem öffentlichen Interesse an einer Freigabe überwiegt. Das Generalsekretariat sieht sich daher nach Art. 4 Abs. 3 Unterabs. 1 DokZugVO (Schutz des Entscheidungsprozesses des Rates) derzeit nicht in der Lage, Ihrem Antrag auf vollen Zugang stattzugeben.
Sie können jedoch gemäß Art. 4 Abs. 6 DokZugVO Zugang zu den Teilen des Dokuments erhalten, die von der vorgenannten Ausnahme nicht erfasst werden.“
Das ist nicht das erste und auch bestimmt nicht das letzte Mal, dass Bürgern und Nichtregierungsorganisationen und sogar Parlamentariern Zugang zu wichtigen Dokumenten verwehrt wird.
Ich bin sehr wohl der Meinung, dass bei Verhandlungen zu einer so fundamentalen Frage wie den Grundrechten das öffentliche Interesse überwiegt. Ohne Kenntnisstand der Verhandlungspositionen wird eine politische öffentliche Debatten quasi ausgeschlossen. Es kann nicht sein, dass der Öffentlichkeit und dem EU-Parlament anschließend einfach ein fertiges Paket vorgelegt wird, ohne dass sie in der Lage waren die Zwischenstände oder Verhandlungspositionen der Teilnehmer nachzuvollziehen. Aus dem Dokument gehen kaum Informationen über die Positionen der Ländervertreter hervor. Immerhin aber minimal mehr Informationen als in dem einen Monat zuvor veröffentlichten Bericht.
Beispiel, wie es aussieht, wenn Verhandlungspositionen zensiert werden:
„GELÖSCHT, der sich GELÖSCHT anschlossen, beantragte, dass dieser Erwägungsgrund in den verfügenden Teil der Richtlinie übernommen wird. GELÖSCHT, KOM, GELÖSCHT haben einen Prüfungsvorbehalt zu diesem Vorschlag. GELÖSCHT hat einen Vorbehalt zu dem Erwägungsgrund selbst: Sie ist der Ansicht, dass das Ziel dieser Richtlinie gefährdet würde, wenn die Mitgliedstaaten PNR-Daten für andere als die in der Richtlinie genannten Zwecke verwenden dürften. GELÖSCHT schlug vor, den Erwägungsgrund wie
folgt umzuformulieren: „Diese Richtlinie hindert die Mitgliedstaaten nicht daran, nach ihrem jeweiligen innerstaatlichen Recht, das mit dem EU-Besitzstand in Einklang stehen muss, eine Regelung zur Erfassung und Verarbeitung von anderen als den im Rahmen dieser Richtlinie erfassten PNR-Daten vorzusehen.“[…]
„GELÖSCHT, KOM, GELÖSCHT haben einen Vorbehalt zur grundsätzlichen Einbeziehung von Flügen innerhalb der EU eingelegt. GELÖSCHT befürworten eine obligatorische Einbeziehung sämtlicher Flüge innerhalb der EU. GELÖSCHT hat in Dok. DS 1234/12 nähere Ausführungen zu der Notwendigkeit einer Einbeziehung sämtlicher EU-Flüge mit Blick auf die Bekämpfung des Terrorismus gemacht. GELÖSCHT hat einen Vorbehalt zur obligatorischen Einbeziehung aller Flüge. GELÖSCHT KOM, GELÖSCHT waren der Auffassung, dass bei einer freiwilligen Einbeziehung von EU-Flügen alle Flüge innerhalb der EU in diesen Mitgliedstaat und von diesem Mitgliedstaat aus erfasst werden
sollten. GELÖSCHT befürworten zwar eine Einbeziehung aller Flüge, könnten sich aber auch damit einverstanden erklären, dass nur gezielte Flüge einbezogen werden.“[…]
„GELÖSCHT: Vorbehalt zu der vorgeschlagenen dezentralen Architektur. GELÖSCHT, der sich GELÖSCHT anschloss, schlug vor, die Einrichtung einer gemeinsamen PNRZentralstelle mehrerer Mitgliedstaaten bei Europol in Betracht zu ziehen.“
[…]
„GELÖSCHT schlug vor, einen Absatz 6 folgenden Wortlauts einzufügen: „Im Einklang mit ihrem innerstaatlichen Recht und vorbehaltlich der Bestimmungen der Richtlinie 2004/82/EG können die Mitgliedstaaten auch eine Verarbeitung von PNR-Daten zum Zwecke der Verbesserung der Grenzkontrollen und der Bekämpfung der illegalen Einwanderung durch die zuständigen Behörden vorsehen.““
Transparente Verhandlungen sind Grundlage demokratisch legitimierter Entscheidungen
Ich bin der Meinung, dass auch transparente Verhandlungen möglich sind, und man auch mit der Öffentlichkeit politische Lösungen finden kann. Gutes Beispiel sind hierfür öffentliche Sitzungen in Parlamenten und viele Ausschusssitzungen, bei denen dies ja auch kein Problem ist.
Die Nichtöffentlichkeit von Verhandlungsdokumenten des EU-Rats schützt lediglich die Vertreter im Innenausschuss vor unbequemen Fragen der eigenen Wähler und Bürger des jeweiligen Mitgliedsstaates und untergräbt das vertrauen in die jeweiligen Institutionen. Demokratische Vertreter müssen sich und ihr Handeln gegenüber ihren Bürgern erklären und begründen, ohne die relevanten Daten ist das aber in der Praxis oft nicht der Fall. Diese stringente Politik der Geheimhaltung von für die Öffentlichkeit wichtigen Dokumenten durch den EU-Rat ist mit demokratischen Grundsätzen und der Forderung nach Teilhabe der Bevölkerung unvereinbar.
Durch solche Regelungen wird zugelassen, dass Ländervertreter im EU-Rat über Bande spielen können und unter Ausschluss der Öffentlichkeit Positionen vertreten können, die sie öffentlich womöglich nicht einnehmen würden, weil sie sich ihren Wählern gegenüber rechtfertigen müssten. Gerade wenn Innenpolitiker der Mitgliedsstaaten über Vorratsdatenspeicherung von Bürgerdaten beraten ist es immer wieder dazu gekommen, dass hier Grundrechte systematisch bereits bei den Verhandlungen vernachlässigt worden sind und kaum zu Wort kommen durften. Durch die Geheimhaltung von Dokumenten wird es Bürgerrechtsvertretern nun sogar erschwert, die Öffentlichkeit über die Vorgänge in den Beratungen zu informieren.
Ich werde natürlich Widerspruch gegen diese Zensur von Dokumenten einlegen.
Warum hatte ich gefragt?
Um EU-Fluggastdaten innereuropäischer Flüge sammeln zu können, hat die EU-Kommission bereits Fördermittel in Höhe von 50 Millionen Euro ausgeschrieben. Und das obwohl das EU-Parlament dem noch gar nicht zugestimmt hat. Die auf nationaler Ebene erfassten Daten sollen in einem dezentralen Verbund allen Mitgliedsstaaten zugänglich gemacht und bis zu fünf Jahre gespeichert werden.
Von Fluggesellschaften erhobene PNR-Daten
(1) PNR-Buchungscode (Record Locator)
(2) Datum der Buchung/Flugscheinausstellung
(3) Planmäßiges Abflugdatum bzw. planmäßige Abflugdaten
(4) Name(n)
(5) Anschrift und Kontaktangaben (Telefonnummer, E-Mail-Adresse)
(6) Alle Arten von Zahlungsinformationen einschließlich Rechnungsanschrift
(7) Gesamter Reiseverlauf für eine bestimmte Buchung
(8) Vielflieger-Eintrag
(9) Reisebüro/Sachbearbeiter
(10) Reisestatus des Fluggasts mit Angaben über Reisebestätigungen, Eincheckstatus, nicht
angetretene Flüge (No show) und Fluggäste mit Flugschein, aber ohne Reservierung
(Go show)
(11) Angaben über gesplittete/geteilte Buchungen
(12) Allgemeine Hinweise (einschließlich aller verfügbaren Angaben zu unbegleiteten
Minderjährigen unter 18 Jahren, wie beispielsweise Name und Geschlecht des
Minderjährigen, Alter, Sprache(n), Name und Kontaktdaten der Begleitperson beim Abflug
und Angabe, in welcher Beziehung diese Person zu dem Minderjährigen steht, Name und
Kontaktdaten der abholenden Person und Angabe, in welcher Beziehung diese Person zu
dem Minderjährigen steht, begleitender Flughafenmitarbeiter bei Abflug und Ankunft)
(13) Flugscheindaten (Flugscheinnummer, Ausstellungsdatum, einfacher Flug (One-way),
automatische Tarifanzeige (Automated Ticket Fare Quote fields)
(14) Sitzplatznummer und sonstige Sitzplatzinformationen
(15) Code-Sharing
(16) Vollständige Gepäckangaben
(17) Zahl und Namen von Mitreisenden im Rahmen einer Buchung
(18) Etwaige Vorabpassagierdaten (API-Daten) (unter anderem Art des Dokuments, Nummer des
Dokuments, Staatsangehörigkeit, Ausstellungsland, Ablaufdatum des Dokuments,
Familienname, Vorname, Geschlecht, Geburtsdatum, Fluggesellschaft, Flugnummer, Tag
des Abflugs, Tag der Ankunft, Flughafen des Abflugs, Flughafen der Ankunft, Uhrzeit des
Abflugs, Uhrzeit der Ankunft)
(19) Alle vormaligen Änderungen der unter den Nummern 1 bis 18 aufgeführten PNR-Daten.
- Mehr Informationen zum Stand der Verhandlungen bei htttp://www.nopnr.org
- Podcast mit mir und Alex von noPNR.org
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Piraten erteilen Vorratsdatenspeicherung für Fluggastdaten eine Absage | Innpiraten Mühldorf a. Inn
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