Wort zum Wahlsonntag

„Und, in welches Land würdest Du auswandern, wenn wir einmal Nazis an der Regierung hätten?“ Smalltalk in Deutschland im Jahr 2017, einen Tag vor der Bundestagswahl. Es gibt diese Tage an denen man merkt, dass einschneidende Veränderungen anstehen. Das sieht man, wenn man durch die Straßen geht. Es steht den Menschen in den Augen geschrieben. Dinge ändern sich. Politische Debatten im Kiosk, in der Kneipe, auf der Straße in meinem Viertel. Und ich frage mich: Warum haben wir das nicht letzte Woche, letzten Monat, letztes Jahr schon so ausgiebig getan?

Es gibt Situationen in denen es angemessen ist, die eigenen Differenzen zurückzustellen und sich auf Gemeinsamkeiten zu besinnen, die so viel größer und wichtiger sind als die Frage, ob der Flughafen Berlin-Tegel erhalten oder geschlossen werden soll. Es geht um: Demokratie. Freiheit. Bürgerrechte. Die AfD ist keine normale Partei. Mit ihr werden überzeugte Rechtsextreme, Antisemiten und Verschwörungstheoretiker in den Bundestag einziehen. Es braucht wenig Phantasie um sich auszumalen, was für Charaktere gut dotierte Posten in so einer Fraktion bekleiden werden. AfD-Fans schreiben mir, ich soll „zurück nach Polen gehen“. Millionen Steuergelder werden in den Aufbau rechtsextremer Netzwerke fließen. Ich kann gar nicht so viel essen, wie ich kotzen möchte. Gerade deshalb gilt es jetzt, sich zusammen zu reißen.

Zukunft fängt immer jetzt an. Immerhin 87% der Wähler haben die AfD nicht gewählt. Wenn jemand „Wir sind das Volk“ rufen dürfen soll, dann ganz sicher nicht diese Splitterpartei. Wie stabil die AfD-Fraktion langfristig sein wird, steht übrigens in den Sternen. Vor einer Wahl herrscht Burgfrieden in jeder Partei. Erst danach werden offene Rechnungen beglichen. Ich habe meine Zweifel, ob Frauke Petry ihre Zukunft in einer AfD unter Gauland sieht. Auch in mehreren Landtagsfraktionen kriselt es. Die größte Gefahr für die AfD ist sie selbst.

Ein guter Freund hat mir einmal etwas sehr kluges gesagt: Entscheide selbst über deine Zukunft, sonst entscheiden andere für dich, was für ein Leben du leben wirst. Ich bin in einer Familie aufgewachsen, in der es weder für meine Eltern noch für meine Großeltern selbstverständlich war, in einer freien Gesellschaft aufzuwachsen. Mir scheint, wir müssen einige Dinge wieder neu lernen. Ich habe für vieles Verständnis. Aber ich habe kein Verständnis dafür, wenn man sich in Zeiten wie diesen von Politik abwendet. Und keine Position bezieht. Ja, Politik ist ätzend. Sie atmet Enttäuschung aus jeder Pore. Aber in einer Demokratie ist sie alternativlos.

Heute war scheiße.

Ob es morgen besser wird liegt allein an uns.


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3 Kommentare

  1. Das kann nicht stimmen, denn die AfD (wieso „sogenannte?) wird doch angeblich von den sogenannten „abgehängten Modernisierungsverlierern“ gewählt.

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