Warum ich eine Petition gegen das neue BND-Gesetz gestartet habe

In dieser Woche feiert ein Kinofilm über Edward Snowden Premiere. Nicht wenige werden das Kino verlassen und sich denken „so etwas hätte in Deutschland nie passieren können“. Das nennt man einen Trugschluss. Denn in Kürze soll ein neues Gesetz in Deutschland verabschiedet werden, das es in sich hat.

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Worum geht es?

Edward Snowden hat 2013 nicht nur die Machenschaften der NSA enthüllt sondern auch ein enges Netz von Kooperationen vieler nationaler Geheimdienste. Darunter auch der deutsche Auslandsgeheimdienst BND.

Im eigens vom Bundestag eingerichteten NSA-Untersuchungsausschuss wurden enthüllt, dass

  • …der BND illegal den größten deutschen Internetknoten abhört.
  • …der BND jahrelang hunderte Milliarden Daten an die NSA herausgegeben hat.
  • …mit Hilfe dieser Daten auch Kriegsdrohnen gesteuert wurden.
  • …es unmöglich ist deutsche Bürgerinnen und Bürger vor der Massenüberwachung des BND zu schützen und die genutzten „Filter“ nur zu 95% funktionierten – was bei dieser Datenmenge Millionen Menschen ins Fadenkreuz bringt.
  • …der BND auch Daten von deutschen und europäischen Unternehmen sowie hochrangigen europäischen Politikern an die NSA weitergegeben hat und das Bundeskanzleramt schon seit mindestens 2006 von diesen Vorgängen wusste.
  • u.v.m.
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Demo vor dem Abhörstützpunkt des BND in Bad Aibling

…und es gab viele Skandale rund um den NSA-Untersuchungsausschuss

  • Die Bundesregierung weigert sich Edward Snowden in Deutschland vor dem NSA-Untersuchungsausschuss aussagen zu lassen – dabei ist er der wichtigste Zeuge.
  • Das Kanzleramt drohte den Mitgliedern des NSA-Untersuchungsausschusses mit Strafanzeigen, weil immer wieder Dokumente an die Presse gegeben wurden – obwohl gar nicht klar ist von wem.
  • BND-Akten wurden häufig so gründlich geschwärzt, dass die Bundestagsabgeordneten damit überhaupt nichts mehr anfangen konnten.
  • Zeugen aus dem Geheimdienst-Umfeld bekamen vom BND hingegen großzügig Akteneinsicht, die sie den Mitgliedern des Untersuchungsausschusses vorenthielt.
  • Die Bundesdatenschutzbeauftragte Voßhoff wurde bei ihrer Arbeit massiv behindert, als sie versuchte den BND zu überprüfen.
  • BND-Vertreter behaupteten allen Ernstes, bei der Überwachung von Satelliten müssten sie sich nicht an deutsches Recht halten – schließlich seinen die Satelliten ja im Weltraum („Weltraum-Theorie“).
  • u.v.m.
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Protest vor dem NSA-Untersuchungsausschuss

UND DAS sind die Lehren der großen Koalition aus Snowden…SRSLY

Nun will die große Koalition bereits in den nächsten Wochen ein neues BND-Gesetz verabschieden. Es ist der pure Wahnsinn, was hier passieren soll: Überwachung wird ausgebaut. Vorher illegale Aktivitäten des BND werden kurzerhand legalisiert. Die parlamentarische Kontrolle wird eingeschränkt. Kein Scherz.

Bisher durfte der BND in Deutschland keine Internetknoten abhören. Jetzt soll ihm erlaubt werden, auch hierzulande massenhaft Daten abzugreifen. Der BND behauptet zwar, es gehe dabei nur um Auslandsüberwachung. Dabei ist längst klar, dass es technisch unmöglich ist, deutsche Bürgerinnen und Bürger vor der BND-Massenüberwachung zu schützen. Der BND soll künftig sogar ganze Telekommunikationsnetze abhören dürfen. Durch das neue Gesetz erhält der BND einen Freifahrtschein, um Vorratsdaten aus aller Welt zu erfassen sowie massenhaft und automatisiert an „Partner“ wie die NSA weiterzugeben. Die enge Verwicklung des BND in die globale Massenüberwachung von NSA und Co. wird damit gesetzlich festgeschrieben. Diese weltumspannende Spähmaschinerie verstößt gegen Menschenrechte, etwa das Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens. Ausländische Journalistinnen und Journalisten drohen durch das Gesetz zu Freiwild für den BND zu werden. Für sie und ihre Quellen gibt es in dem Gesetz keinerlei Schutzvorkehrungen. Ebenso soll die Überwachung anderer EU-Mitgliedstaaten ausdrücklich erlaubt werden.

Als wäre das alles nicht schlimm genug: Die bereits jetzt zu schwachen Kontrollrechte des Bundestages gegenüber dem BND sollen durch das neue Gesetz weiter beschnitten werden. Eine wirksame Kontrolle durch unsere gewählten Abgeordneten wird auf diese Weise massiv erschwert. Dabei ist doch bewiesen, dass der BND bereits in der Vergangenheit erschreckenden Missbrauch seiner Befugnisse betrieben hat.

Lernen mit Schmerzen – nur ohne Lernen

Ich erinnere mich noch ganz genau an das Jahr 2013. Dieser Ausspruch von Angela Merkel bleibt unvergessen: „Abhören unter Freunden, das geht gar nicht“. Dem geplanten Gesetz nach zu urteilen sind der BND und die Bevölkerung offensichtlich keine Freunde mehr.

Die Einschränkung parlamentarischer Kontrolle als Reaktion darauf, dass das Parlament im Rahmen eines Untersuchungsausschusses versucht seine Kontrollfunktion wahrzunehmen, ist bezeichnend. Nachdem bereits in den vergangenen Jahren der Etat für den BND um 300 Mio. Euro massiv aufgestockt und neue Programme zur Überwachung von Social Media angeschoben wurden, ist der BND damit auf dem besten Wege den Fußstapfen seines großen Bruders NSA zu folgen.

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Protest vor dem Bundestag zur Etaterhöhung des BND

Wer in dieser Woche den neuen Snowden-Film im Kino anschaut wird feststellen: Auch die NSA ist nicht von heute auf morgen zu dem geworden, was sie heute ist. So ein Prozess ist schleichend. Mir macht es große Sorgen, wenn in Zeiten eines europäischen Rechtsrucks das Arsenal für einen repressiven Staat geschaffen wird. Ich will mir keine NSA unter Trump vorstellen, sie macht mir schon jetzt Angst. Genauso Angst macht mir ein BND unter der AfD. Aber so funktioniert Demokratie: Wir wissen nicht wie die Zukunft aussieht und versuchen unsere Institutionen wie Festungen zu bauen: Gut bemannt und klug angelegt. Der BND ist bereits jetzt keines von beidem. Das neue BND-Gesetz wird es noch schlimmer machen. Wir brauchen keine deutsche NSA – wir brauchen Aufklärung und das Ende eines zügellosen Geheimdienstes, der sich aufführt als stehe er außerhalb des Gesetzes. Bei diesem Spiel mit dem Feuer werden wir sowohl unsere Freiheit als auch unsere Sicherheit verlieren. Wenn der Kampf gegen den Terror eines Tages einen Überwachungsstaat verteidigt, ist der größte denkbare Anschlag auf die freie Gesellschaft geglückt. 

Warum hast Du nicht die offizielle Petitionsplattform des Bundestages genutzt?

Es gibt einen Grund, warum ich diese Petition nicht auf der offiziellen Plattform des Bundestages eingereicht habe sondern bei WeAct. Tatsächlich habe in den letzten Jahren nämlich mehrfach versucht die Bundestagsplattform zu nutzen. Meine Petitionen wurden jedes Mal fadenscheinigen Begründungen entweder nicht zugelassen oder abgewiesen. Die Presse berichtete damals ausführlich darüber.

2013 habe ich eine Petition eingereicht in der ich fordere, dass die Bundesregierung im Fall TEMPORA eine Klage vor dem Europäischen Gerichtshof gegen Großbritannien anstrebt – wegen der Zusammenarbeit zwischen dem britischen Geheimdienst GCHQ und der NSA. Doch meine Petition wurde nicht zugelassen. Statt dessen bekam ich Post. Spiegel-Online schrieb darüber:

„Die Petition würde weder eine lebhafte noch eine sachliche öffentliche Diskussion anregen, noch sei sie konkret oder verständlich genug, so die Begründung. Nun wird die Petition gar nicht erst auf der Website des Bundestags zur Sammlung von Unterschriften freigeschaltet.“

2014 habe ich wieder eine Petition beim Deutschen Bundestag eingereicht in der ich fordere, Edward Snowden Asyl zu geben. Die Antwort war niederschmetternd. Spiegel-Online schrieb darüber:

Weil die „gesetzlichen Voraussetzungen für eine Asylgewährung im konkreten Fall nicht vorliegen“ würden und eine Aufnahme von Snowden nicht der Wahrung der politischen Interessen Deutschlands diene, könne dem Anliegen nicht entsprochen werden.

Damit ist der Ausschuss ganz auf der offiziellen Linie der Bundesregierung, die den Konflikt mit den USA scheut. Die Netzaktivistin Katharina Nocun, die eine der nun abgelehnten Asyl-Petitionen eingereicht hatte, kritisiert die Entscheidung: „Die Ablehnung ist ein Schlag ins Gesicht für alle, die versuchen, sich über die vorgesehenen Beteiligungsformen gegen die NSA-Überwachung zu engagieren.“

Daher – Unterzeichnet lieber hier:

Danke.

PS: Edward Snowden bekommt bei mir immer noch jederzeit Asyl.


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6 Kommentare

  1. […] Katharina Nocun, die Digitale Gesellschaft e.V., Reporter ohne Grenzen, Amnesty International, der CCC, der Deutscher Journalisten-Verband, der Deutsche Anwaltverein und die Humanistische Union riefen auf zu gegen die BND-Reform zu protestieren, in diesem Zuge wurden drei Petitionen mit insgesamt über 20 Tausend Unterschriften übergeben. […]

  2. Liebe Katharina, herzlichen Dank für dein großartiges Engagement!

  3. Wer kann eigentlich in solchen Fällen gegen die Regierung klagen??

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