Wozu Bargeld?!

Die #PanamaPapers haben gezeigt, das wir ein echtes Problem mit Steuerhinterziehung und Geldwäsche haben. Doch die Anstrengungen der Bundesregierung gingen bisher in eine ganz andere Richtung: Die Bundesregierung will eine Obergrenze für Bargeldzahlungen von 5000Euro einführen. Begründung: Kampf gegen Terror und Korruption. Doch wie glaubwürdig ist das? Wir erinnern uns: Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble hat 1994 selbst eine Schwarzgeldspende in Höhe von 100.000 DM vom Waffenhändler Schreiben angenommen. Doch damit nicht genug: Die Europäische Zentralbank soll außerdem den 500E Schein einkassieren. Einigen geht das nicht weit genug – sie stellen den Sinn von Bargeld grundsätzlich in Frage. Und ich frage mich: Drehen jetzt alle komplett durch?

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Punkt 1: Die Zahlen sind eindeutig

In Schweden spielt Bargeld im Alltag nur noch eine geringe Rolle, lediglich 20% der Transaktionen werden bar abgewickelt. Das klingt wahnsinnig modern und fortschrittlich. Jedenfalls, wenn man die Hersteller von diversen Bezahlsystemen fragt. Doch ist Deutschland bereit, dieses „Neuland“ der bargeldlosen Zukunft zu betreten? Während Dänemark die Bargeldpflicht für Cafes und Tankstellen abgeschafft hat, zahlt man hierzulande beständig gerne mit Bargeld. Ganze 80% der Transaktionen laufen bar. Zwar zahlt man hier und da mit mal mit Karte oder Online – bei kleinen Beträgen ist und bleibt Bargeld jedoch Spitzenreiter. Viel wichtiger ist aber: Die Mehrheit will weiterhin die Wahl haben. Die Zahlen einer aktuellen Emnid-Umfrage sind eindeutig: Knapp 80 Prozent der Menschen in Deutschland können sich ein Leben ohne Bargeld nicht vorstellen.

Punkt 2: Kosten und Nutzen

Bargeld hat immens viele Nachteile. Die Herstellung, Aufbewahrung und Transport kosten Geld. Das Bankengeschäft wäre um einiges bequemer wenn man sich den ganzen Aufwand mit Münzen und bedrucktem Papier sparen könnte. Dass Geld nicht hygienisch ist, weiß jeder, der nach dem Münzgeld-Zählen an seiner Hand riecht. Andererseits hat Bargeld viele Vorteile, die wir leicht vergessen. Die Bundesbank fragte in einer Studie 2014, warum einige Menschen ausschließlich bar zahlen. 65% sagen: Bessere Ausgabenkontrolle. Gerade für Leute die von sich selbst wissen, dass sie Probleme haben ihre Ausgaben im Blick zu behalten, ist Bargeld daher eine echte Stütze. Was auch nicht bedacht wurde: Die Abschaffung des 500E-Scheins wird voraussichtlich eine halbe Millarde Euro kosten.

Außerdem: Wer mit Bargeld zahlt muss sich keine Pin merken – das ist gerade für ältere Menschen wichtig. Ob wir bargeldlos wirklich sicherer vor Überfällen sind wage ich zu bezweifeln. Ausgeraubt werden kann ich online genauso wie offline. Aber wenn das Bezahlsystem meiner Wahl wegen dem falschen Update spinnt komme ich mit Bargeld trotzdem noch über die Runden. Sparkassen-Präsident Fahrenschon erinnert: „Bargeld erfüllt eine unverzichtbare Funktion bei der Erziehung von Kindern und Jugendlichen und hinterlässt keine elektronische Spuren.“ Wobei wir schon beim nächsten Punkt wären:

Punkt 3: Bargeld ist gelebter Datenschutz

Von einem Bargeldverbot ist es nicht weit bis zu einem generellen Verbot anonymer Zahlungsmittel, wenn man der Terror & Kriminalitäts-Argumentation folgt. Ohne Bargeld und digitale anonyme Zahlungsmittel würden wir ganz schön nackt aussehen. Nicht nur, wie oft wie die Zahnbürste neu kaufen, sondern auch unsere Vaginal-Creme oder Potenz-Pille aus der Apotheke wird dann auf uns zurückverfolgbar sein. Wer sich im Trennungsschmerz einen Monat lang von Pizza und Junkfood ernährt, wer im Sex-Shop einkauft oder die Bahn-Reise zur Affäre – Jede Handlung, die eine Zahlung voraussetzt, wird dann dokumentiert sein. Und das sind im Kapitalismus verdammt viele.

Punkt 4: Kriminelle Energie

Terroristen nutzen Autos, essen Brot, Müsli, trinken Kaffee und fahren mit der U-Bahn. Sie kaufen ihre Schuhe beim Discounter und atmen Sauerstoff. Wie sie Waffen auf dem Schwarzmarkt bezahlen, können Gesetze eh nicht kontrollieren. Wer sagt denn, dass sie überhaupt mit Euro zahlen? Ob sie jetzt große oder kleine Scheine nehmen macht wahrscheinlich wenig Unterschied. Die Terror-Argumentation ist vollkommen absurd.

Surprise, Surprise – Kriminelle & Terroristen nutzen Bargeld. Doch ist das ein Grund, Bargeldzahlungen für die 99% einzuschränken, die nichts verbrochen haben? Auch wenn ich selbst nicht viele Berührungspunkte mit der Lebenswirklichkeit von Politikern habe, die sich über Barzahlungen über 5000Euro auslassen, teile ich doch die Grundannahme die dahinter steckt. Fakt ist: Wer meint man müsse einen „plausiblen, legalen“ Grund für Bargeldgeschäfte nachweisen, der betreibt Beweislastumkehr. Seit wann muss ich mich gegenüber meinem Staat dafür rechtfertigen, wie ich meine Rechnungen zahle? So lange es im Gesetz nicht anders geregelt ist brauche ich keinen Grund. Aus meiner Sicht wäre es außerdem naiv anzunehmen, die jetzt diskutierte Obergrenze für Bargeldzahlungen wäre das Ende der Weisheit des Wolfgang Schäuble. Man erinnere sich nur an seine Salami-Taktik beim Abbau von Grundrechten zu seiner Zeit als Bundesinnenminister.

Meine Meinung: Wer einen Überwachungsstaat errichtet und unter dem Vorwand, unsere Freiheit gegen den Terror zu verteidigen eben diese abschafft, ist ein politischer Totalausfall.

Punkt 5: Fluchtinstinkt

Laut einem Bericht der europäischen Polizeibehörde Europol machen 500-Euro-Scheine etwa ein Drittel des Banknotenumlaufs aus. Und das, obwohl sie normalerweise kaum für Zahlungen im Alltag verwendet werden. Der Verdacht: Die Scheine werden hauptsächlich zur Geldwäsche und für andere krumme Geschäfte benutzt. Doch Yves Mersch, seines Zeichens Direktoriumsmitglied der Europäischen Zentralbank, zweifelt an dieser These:

„Sie brachten immer wieder Behauptungen vor, die wir allerdings gerne mit handfesten Beweisen bestätigt gehabt hätten.“

Aber es gibt auch eine andere, weniger spektakuläre Theorie, warum der Anteil der 500E Scheine immer stärker zunimmt:

Menschen, die Banken nicht mehr vertrauen, flüchten oft in Bargeld oder Sachwerte. Jeder kennt die Bilder aus Griechenland, mit den langen Schlangen von Rentnern vor Auszahlungsautomaten. Es macht Angst, wenn Banken und Regierungen den Zugriff von Sparern auf ihre Vermögen einschränken. Ich finde die Erklärung von Ex-Finanzminister Waigel für die vielen 500E Scheine im Umlauf einleuchtend. Er mutmaßte jüngst in einer Talkshow, ein beträchtlicher Anteil dieser Scheine gehe aufs Konto von verängstigten Bürgern. Diese seien nach der Finanzkrise dazu übergegangen, wieder in größerem Ausmaß auf den klassischen Sparstrumpf zu setzen. Wie so ein Verhalten kanalisiert werden würde bei einer Abschaffung des Bargelds? Man handelt ähnlich wie bei hoher Inflation: Entweder man legt sein Geld in anderen Werten an oder man wechselt die Währung für das Sicherheitsdepot in Bar. Wie viel Menschen in der ganzen Welt die DM als Depot genutzt haben, merkte man an den  Summen, die beim Wechsel zum Euro plötzlich aus aller Herren Länder zum Wechselschalter flossen. Merke: Das Horten von Bargeld ist zu allererst ein Symptom – die Ursache liegt tiefer.

Fazit: Ein grandioses Ablenkungsmanöver

Es ist richtig, dass der Staat mehr tun muss gegen Korruption, kriminelle Geschäfte und Steuerhinterziehung. Die PanamaPapers zeigen: Es muss dringend gehandelt werden. Welchen legitimen Grund für Briefkästen gibt es noch gleich? Abseits von Geldwäsche und Steuerhinterziehung?

Eine Einschränkung der Bargeldzahlungen ist gerade deshalb definitiv der falsche Weg. Denn Fakt ist: Zahlreiche Steuerfluchtmodelle sind tatsächlich legal. Darüber wird aber gerne geschwiegen. Durch das so genannte „Double Irish with a Dutch Sandwich“ Vermeidungsmodell haben viele große Unternehmen jahrelang Milliarden am Fiskus vorbeigeleitet. Steuerfahnder beklagen immer wieder, dass ihnen nicht genug Ressourcen gegeben werden, um die großen Fische zu jagen. Dabei geht es um Schweizer Bankkonten, Stiftungen in Luxemburg, Strohmann-Konstrukte und andere Modelle zur „Steueroptimierung“. 500E Scheine abschaffen? Bargeldlimit bei 5000E? Über solche Dimensionen lachen die wirklich großen Fische nur. Eine Abschaffung des Bargelds ist derzeit vollkommen utopisch, die Bevölkerung lehnt das ab. Es bleibt ein Gedankenspiel von Digitaloptimisten und Profiteuren einer solchen Umstellung. Es lohnt sich aber die grundsätzliche Frage zu stellen, wie man als Gesellschaft zu Bargeld steht. Meine Meinung: Eine Einschränkung des Bargelds ist Symbolpolitik, ein grandioses Ablenkungsmanöver. Sie löst keine Probleme. Für die Bürger aber schafft sie welche. Und zwar nicht nur symbolisch.


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8 Kommentare

  1. @struppi: Ich gehe nicht wählen. Deswegen sollte man das Wahlrecht abschaffen.

    “Mir ist es doch egal, wenn der Staat weiß wo ich wem Geld gebe.”

    Mir nicht.

    Ich hoffe Du kapierst das jetzt.

  2. Dass die Abschaffung des Bargelds hilfreich im Kampf gegen Geldwäsche und Steuerhinterziehung ist, halte ich für ein Ammenmärchen. Betrug wurde in letzter Zeit erfolgreich mit cum/ex-Geschäften betrieben, und zwar unbar und im ganz großen Stil.

    Bargeld muss bleiben, denn ich möchte auch weiterhin auf dem Wochenmarkt einkaufen können oder ein paar Münzen ins Sparschwein, den Opferstock oder den Hut von Straßenkünstlern werfen können.

  3. „Meine Meinung: Eine Einschränkung des Bargelds ist Symbolpolitik, ein grandioses Ablenkungsmanöver.“
    Ablenkungsmanoever? Wovon?
    Ich wuerde eher sagen, sie lassen langsam die Katze aus dem Sack.
    Mit Symbolen hat das nichts zu tun, sondern mit der Macht die Menschen zu steuern.
    Wer nicht gehorcht, Geldhahn zu.
    In diesem Zusammenhang steht auch die juengst gehaeuft auftauchende Thematik des implantierten RFID-Chips.
    Diese Dinge wurden schon mindestens in den 80ern thematisiert, galten aber bis vor wenigen Jahren noch als „absurde Verschwoerungstheorie“, wie so vieles andere…
    Ich teile auch nicht die Ansicht des Kollegen Waigels, dass die 500-Euro-Scheine in den Sparstruempfen landen – das ist laecherlich.
    Der groesste Schein in meinem Sparstrumpf ist ein 50er und ich fresse einen Besen wenn bei 90% der Sparstruempfe ein groesserer Schein als ein 100er drinnen ist.
    Versuchen Sie mal mit 50 Euro einen Kleineinkauf in der Tanke oder eine kurze Taxifahrt zu bezahlen -… ein Gejammer ist das immer… und mit dem Taxi kann das auch schon mal eine Extrafahrt zur Zentrale bedeuten.
    Und da kommt der Waigel mit einem 500er. Na in Berlin geht das vielleicht, aber in normalen Staedten werden Sie da ganz schoen doof angeguckt.
    Also sollte man sich ueberlegen, wer die 500er am leichtesten wieder los wird und da liegen die Scheinchen dann auch. :-)

  4. Ich finde es erstaunlich, dass egal ob konservativer oder linker, jeder tut so, als ob wir vom Bargeld irgendwleche Vorteile haben. Aber die Einizgen die es wirklich haben, sind Reiche die Gelder verstecken wollen und Steuern vermeiden, Reiche Kriminielle die Geld waschen und verstecken müssen. Mir ist es doch egal, wenn der Staat weiß wo ich wem Geld gebe, Steuern und Abgaben zahle ich sowieso und gerne.

    Die meisten Argumente sind sehr schwach, auch für Bargeld muss ich mir heute einen Code merken und in den meisten Fällen, wird heute genau das gemacht was im Artikel postuliert wird. Jede Ausgabe (und Einnahme) die per Überweisung oder Kreditkarte läuft, ist nachvollziehbar. Das ist auch gut so.

    Aber die Schließung der griechischen Banken hier als Argument zu nehmen ist infam. Diese wurden von der Troika geschlossen um die gr. Regierung zu erpressen. Damit eine vermeintliche „Flucht“ in Bargeld zu begründen, zeigt wohl eher ein mangelndes Interesse am Wohl der Menschen, die hier Opfer der Erpressung der EU wurden.

    Bargeld ist für den ehrlichen Bürger nicht notwendig. Das einzige Problem ohne ist es, dass es schwerer wird was zu kiffen zu kaufen.

  5. @Ein Mensch: Wo liest du das raus? Ich sehe nur eine Pauschalverurteilung von Leuten, die durch Tricks Steuern sparen. Und dass die (wenn auch legal) moralisch verwerflich handeln siehst du doch hoffentlich auch so?

  6. Korrekt, aber: Eine Pauschalverurteilung von Offshore-Besitzern ist wie eine Pauschalverurteilung von Leuten, die Verschlüsselung benutzen.

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