Was ist schon politisch?

Wenn man Street-Art mag, ist die Straße eine Galerie. Eines Tages fragten wir uns, warum es keine Galerie für diese Art von Kunst in der Stadt gibt. Wir warteten nicht darauf, dass etwas passiert. Wir veranstalteten einfach unsere eigenen Ausstellungen.  Ist das schon Do-it-Yourself Kulturpolitik? Vielleicht. Genauso wie Kunst nicht nur in Galerien stattfindet, findet Politik auch außerhalb von Parlamenten, außerhalb von etablierten Parteistrukturen statt. Die Nachfrage nach einer neuen Art Politik zu machen ist da. Es ist die Sehnsucht nach neuen Lösungen für alte Fragen. Eines haben Kunst und Politik gemeinsam: Beide brauchen Freiräume, in denen sie sich entfalten können. Für beides braucht es Leidenschaft, denn alles andere wäre Verwaltung. Politisch sein, bedeutet, seinem Willen Ausdruck zu geben. Und Verantwortung zu übernehmen. Damit Dinge besser werden. Oder zumindest nicht schlechter.

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Es wird oft gesagt, die Jugend von heute sei politikverdrossen. Doch das kann ich nicht bestätigen. Wir sind politisch, aber wir sind anders politisch. Bei den ACTA-Protesten habe ich in Hamburg eine Demo mitorganisiert. Angestiftet dazu haben uns drei Freunde zwischen 14 und 16. Sie schickten eine Nachricht auf Facebook: „Wir haben eine Gruppe angelegt für die Demo. Und haben mehrere Hundert Anmeldungen. Wir sind noch nicht volljährig. Könnt ihr die Demo anmelden?“ Sie hatten auch schon Flyer selbst gestaltet und gedruckt. „Die Patrone des Schulkopierers ist leider leer, wird aber morgen nachgefüllt“, sagten sie beim Bündnistreffen. Gehört hatten sie von ACTA in ihren Lieblings-Minecraft-Lets-Play-Folgen auf Youtube. Ich werde diese Jungs mein Leben lang nicht vergessen, weil sie einfach genau das sind was unsere Gesellschaft mehr braucht und nicht weniger. Die Generationen nach mir werden im Internet sozialisiert. Das Netz ist ein Kulturraum und ein Raum für Politik. Neue Soziale Bewegungen sind wie eine Hydra – sie haben viele Köpfe und doch keine. Egal ob Anonymous, ACTA-Protest oder Occupy WallStreet. Das zeugt von einem neuen Politikstil: Wir werden von passiven Konsumenten zu Gestaltern. Zu Machern. Zu Politikern? Kein Plan, kommt drauf an was Politiker sind. Oder sein sollen. Überwachung gefährdet diesen Aufbruch aus der selbst verschuldeten Unmündigkeit. Doch wir sind nicht machtlos. Wir als Gesellschaft können uns für technische und politische Lösungen entscheiden. Wir sollten uns nur bewusst machen, dass die Kosten von Überwachung nicht mit Geld gemessen werden, sondern mit verpassten Chancen. Um für eine Gesellschaft neue Lösungen für alte Probleme zu finden. Manchmal frage ich mich ob die drei Jungs mir heute noch eine Mail geschickt hätten. Nach Snowden. Und das bereitet mir große Sorgen.


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