Das netzpolitische Abstimmungsverhalten des Martin Schulz

Martin Schulz ist Präsident des EU-Parlaments. Und seit neuestem Spitzenkandidat der Sozialdemokraten zur Europawahl. In der FAZ warnt Schulz heute online und morgen in der Printausgabe vor „technologischem Totalitarismus“ und schreibt:

„Doch die Verbindung von ,big data‘, also der gewaltigen Sammelleidenschaft für Daten durch Private und den Staat, und ,big government‘, also der hysterischen Überhöhung von Sicherheit, könnte in die anti-liberale, anti-soziale und anti-demokratische Gesellschaft münden.“

So weit so gut. Nun kenne ich Martin Schulz aus einer Begegnung in einer Talkshow namens „3 nach 9“ im Mai 2013. Dort hat mich der amtierende EU-Präsident aufs schärfste verurteilt für meine ablehnende Haltung zur Vorratsdatenspeicherung.

Großen Worten sollten stets auch Taten folgen. Das Abstimmungsverhalten von Martin Schulz im Europaparlament spricht laut Abgeordnetenwatch.de eine deutliche Sprache, wenn auch anders als in der FAZ dargestellt:

 

04.07.2012 ACTA-Abkommen (laut Eigendarstellung bei 3 nach 9 selbst „Maßgeblich an der Ablehnung von ACTA beteiligt“): nicht beteiligt
15.04.2012 Fluggastdaten-Abkommen mit den USA: Nicht beteiligt
24.11.2009 Internetsperren (Telekom-Paket): Nicht beteiligt
14.12.2005 EU-Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung: Nicht beteiligt
[Update]

Der @MartinSchulz hat übrigens damals für die Weitergabe von Fluggastdaten an Australien gestimmt http://t.co/rfLEetLMn5 #nopnr #pnr #fail

— nopnr.org (@nopnr) February 6, 2014

[/Update]

Bei den meisten Abstimmungen zum Thema Grundrechte und Datenschutz und Netzpolitik war Schulz anscheinend gerade mit wichtigeren Dingen beschäftigt. Die SPD will in Deutschland die Vorratsdatenspeicherung umsetzen. Und aus der großen Wahlkampf-Empörung zum Überwachungsskandal ist seit der Beteiligung an der Regierung irgendwie nichts konkretes geworden. Schade eigentlich.

 

Dafür kommt anderes: Klares Ja zur Vorratsdatenspeicherung. Snowden bekommt kein Asyl. Ein No-Spy-Abkommen wird es nicht geben. Und selbst wenn doch, dann nur für Politiker – die Grundrechte der Bundesbürger bleiben bei den Verhandlungen außen vor.

 

Zur „hysterischen Überhöhung der Sicherheit“, die Schulz sehr treffend in der FAZ benannt hat, empfiehlt sich eine Lektüre seines Interviews beim Deutschlandfunk „das Terrornetzwerk wird zurückschlagen“ vom 2.05.2011. Dickes Lob an dieser Stelle noch einmal an die SPD-Eimsbüttel, die sich prompt von den Forderungen von Gabriel und Schulz nach Wiedereinführung der Vorratsdatenspeicherung distanzierte.

 

Was ist übrigens aus dem Unions-Internetexperten „Karl Theodor zu Guttenberg“ geworden. War der nicht mal Internetberater der EU-Kommission? Spiegel titelte „Der Phantom-Berater„. An konkreten Projekten war dieser wohl auch eher „Nicht beteiligt“.

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