Derzeit verhandeln EU und 24 weitere Staaten über das internationale Dienstleistungsabkommen TiSA. Das Ergebnis hat das Potential den kompletten Dienstleistungssektor umzukrempeln. Viviane Reding, ihres Zeichens ehemalige Justizkommissarin der EU-Kommission, wurde zur Berichterstatterin im Handelsausschuss für das EU-Parlament gewählt… und bekommt gleichzeitig Geld von der Bertelsmann-Stiftung, in dessen Kuratorium sie „beratend“ tätig ist. Für diese Dienstleistung bekommt sie eigenen Angaben nach zwischen 1001 und 5000 Euro pro Monat. Tatsächlich dürften es laut Vergüntungsrichtlinien in der Satzung eher auf den Maximalbetrag hinauslaufen.
Wie wir bereits vor einiger Zeit berichtet haben, ist Bertelsmann als globales Dienstleistungsunternehmen möglicher Nutznießer von TTIP und TiSA und unterstützt Lobbygruppen, die sich für die Freihandelsabkommen einsetzen. Die Bertelsmann-Stiftung hat massiv für TTIP geworben. Wir haben dieses Engagement der Bertelsmann Stiftung zu TTIP infrage gestellt, da es der Selbstlosigkeit und damit der Gemeinnützigkeit der Stiftung eigentlich zuwiderläuft.
Die Bertelsmann Stiftung hat 2014 unter anderem eine „TTIP Roadshow“ veranstaltet und damit für das Handelsabkommen geworben – finanziert von der EU-Kommission:
„WASHINGTON, DC (January 13, 2014) – The Delegation of the European Union to the United States has named the Bertelsmann Foundation one of 18 recipients of grants that advance trans-Atlantic cooperation through policy research and debate relevant to EU-US relations. The Foundation received an award for its proposal to conduct a Transatlantic Trade and Investment Partnership (TTIP) “roadshow” that will showcase in selected US cities the potential benefits of a free-trade agreement between the EU and the US.“
Die Bertelsmann-Stiftung finanzierte außerdem eine Studie beim Ifo-Institut, die unter fragwürdigen Annahmen verkündete, TTIP würde 160.000 Jobs bringen.
„Die Studie rechnet mit 160.000 zusätzlichen Arbeitsplätzen in allen Qualifikationsgruppen, falls EU und USA sich darauf einigen, Handelshemmnisse umfassend abzubauen. Aussicht besteht auch darauf, dass die Realeinkommen in allen Lohngruppen steigen. Für eine Verschärfung von Lohnungleichheiten durch ein transatlantisches Freihandelsabkommen sieht die Studie keine Anzeichen.“
Eine Studie der Turfs Universität zieht ganz andere Schlüsse wie Foodwatch zusammenfasst:
- Ungefähr 600.000 Arbeitsplätze in der Europäischen Union sind durch TTIP gefährdet. Allein in Deutschland droht der Verlust von 134.000 Jobs.
- Die Arbeitseinkommen würden sich ebenfalls reduzieren. In Deutschland um 3.400 Euro pro Kopf.
Und alle so yeah! #StoppTTIP pic.twitter.com/wCW7BvBWhq
— Katharina Nocun (@kattascha) 10. Oktober 2015
Doch damit nicht genug. Selbstverständlich betreibt die Bertelsmann-Stiftung auch nachweislich Lobbying zu TTIP.
Am 5. März 2015 nahm die Stiftung sogar ein Lobbytreffen mit Christian Burgsmueller aus dem Kabinett von Handelskommissarin Malmström zum Thema TTIP wahr. Anstatt keine Stellung zu TTIP zu beziehen, versucht die Bertelsmann-Stiftung also sowohl die öffentliche Meinung als auch die politischen Entscheidungsträger auf europäischer Ebene zum Thema zu beeinflussen.
Bereits im Januar 2014 war es zu zwei Treffen zwischen der Bertelsmann-Stiftung und der Generaldirektion Handel gekommen. Bei dem Treffen mit der Abteilung zu Dienstleistungen sprach die Stiftung auch den US Digital Trade Act an, bei dem es u.a. um grenzüberschreitende Datenflüsse ging.
Da stellt sich doch die Frage: Wäre es nicht besser so einen Posten aufzugeben, Frau Reding? Und ganz nebenbei: Was für eine Transparenz sind Angaben über Nebeneinkünft in Kategorien wie 1001-5000 Euro Einkommen im Monat?
1. 500 – 1000 EUR pro Monat
2. 1001-5000 EUR pro Monat
3. 5001-10 000 EUR pro Monat
4. Mehr als 10 000 EUR pro Monat
Meine Anfrage an das Büro Reding zur tatsächlichen Höhe der Nebeneinkommen und zum Umfang der Tätigkeiten der TiSA-Berichterstatterin für die Bertelsmann-Stiftung blieben selbstverständlich unbeantwortet. Die Bertelsmann-Stiftung denkt in Sachen Reding jedenfalls langfristig:
Die Amtsperiode als Mitglied im Aufsichts- und Kontrollorgan der Gütersloher Stiftung beginnt am 1. Januar 2015 und läuft zunächst bis 2017.
Wenn ihr den TTIP-Vertrag lesen wollt, müsst ihr erst mal euren Adblocker ausschalten!
— Grumpy Merkel (@GrumpyMerkel) 15. Oktober 2015
…und genau das gleiche gilt für TiSA.
Bilder: „The Blind Daten“CC-BY-NC 2.0: crises_crs
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dowel
Die verlinkte Studie der Tufts-Uni bezieht sich nicht auf TTIP / TAFTA sondern auf die 9. WTO Runde. Außerdem stammt sie vom Dezember 2013 und atmet damit schon historische-verstaubte Luft. Mit 4 Seiten handelt es sich auch nicht wirklich um eine Studie: bei der Kürze kann man wohl eher von einem abstract sprechen.
Ist der Link falsch – oder das Argument schräg?
Anonymous
Tufts University
Neue TiSA-Dokumente: Protokolle der Lobby-Treffen seit 2012 | netzpolitik.org
[…] als den Bürgern lieb sein sollte. Die Berichterstatterin des Handelsausschusses im EU-Parlament, Viviane Reding, bezieht monatliche Nebeneinkünfte in vierstelliger Höhe von der Bertelsmann-Stiftu… – die ihrerseits seit langem aggressiv für TTIP […]
Idahoe
Es wird allmählich Zeit, die Begriffe sinnvoll zu verwenden:
Die Macht eines Menschen beruht nicht in seinen Fähigkeiten, andere zu überragen. Die Macht entsteht durch den Glauben, der die Verlierer ohnmächtig werden läßt.
Herrschaft entsteht einzig durch Glauben. Es sind nicht die mächtigen Menschen, es sind die herrschenden Menschen. Es ist der Glaube an die Richtigkeit der Systeme, die Unterordnung, der Gehorsam, der Ohnmächtigen.
Die Teilnahme an Wahlen legitimiert ein System, ganz gleich wer was wählt.
Der Ruf nach Recht, das auf Glauben beruht:
https://de.wikipedia.org/wiki/Institution
Alle (juridischen und moralischen) Regeln haben nur den Zweck der Verhaltenssteuerung. Von Freiheit zu sprechen, sei daher jeder weitere Tropfen Tinte verschwendet.
Frei nach Moritz Schlick vom Wiener Kreis
In Gedenken an Andrea Vorländer und Arno Gruen
Gruß