Bringt es etwas, Volksverhetzung & Co. von AfD-Abgeordneten anzuzeigen?

Sie haben es schon wieder getan. Letzte Woche. Da hat der AfD-Fraktionsvorsitzende im Landtag Schleswig-Holstein, Jörg Nobis, auf Twitter vorgeschlagen, man möge den „Schulzzug“ in den „Hochofen“ fahren. In Zeiten, in denen wieder Autos linker Politikern angezündet werden, kann man so etwas sicher bringen. Nicht. Kein Wunder, dass Nobis deshalb eine Anzeige wegen Volksverhetzung kassiert hat. Das war wiederum natürlich eine Steilvorlage für die AfD, um sich einmal mehr in der allseits beliebten Opferrolle zu suhlen und laut „Zensur!“ und „Meinungsfreiheit!“ zu rufen. Verstehe, die AfD wünscht sich also die Sorte Freiheit, in der man auch mal raushauen darf, dass jemand in den Hochofen geschoben gehört. Kommt mir irgendwie bekannt vor.

Tatsächlich ist das nicht das erste Mal gewesen, dass der Landesverband SH dadurch aufgefallen ist, in sozialen Netzwerken besonders krasse Dinge von sich zu eben. Im Mai 2017 hatte ich bei der Kieler Polizei Strafanzeige gegen die AfD Schleswig-Holstein erstattet. Der Grund: Der AfD-Landesverband Schleswig-Holstein hat das in Deutschland verbotene SA-Symbol über Facebook verbreitet. Das ist kein Kavaliersdelikt. Da sich viele Menschen derzeit fragen, ob es überhaupt etwas bringt, sich an die Polizei zu wenden, wenn Hetze bei Facebook verbreitet wird, möchte ich an dieser Stelle meine Erfahrungen anhand dieses konkreten Beispiels mit Euch teilen:

How-To-Anzeige: 1. Screenshot

Zunächst gilt es einen Screenshot des Ganzen zu machen. Was Ihr dabei beachten solltet hat der Journalist Richard Gutjahr in einer Infografik ausgezeichnet zusammengefasst: 1. Unbedingt auch den Kontext festhalten und nicht nur den Post aus dem Inhalt herausgerissen betrachten, 2. Uhrzeit und Datum sollten unbedingt sichtbar sein, 3. Die ID/-Nickname des Nutzers muss deutlich erkennbar sein und 4. Achtet auf Eure Privatsphäre.

Diesen Screenshot solltet Ihr gut abspeichern, es kann hinterher ein Beweisstück sein. In meinem Fall habe ich außerdem einen Screenshot all Timelines jener Facebook-Accounts von AfD-Verbänden gemacht, die ebenfalls die Grafik mit dem SA-Symbol geteilt hatten. Das Bild wurde erstmals von dem in Bayern wohnhaften AfD-Mitglied Petr Bystron auf Facebook verbreitet – der auch schon vom Verfassungsschutz beobachtet wird. Die bunte Grafik mit dem SA-Logo wurde 592 Mal auf Facebook geteilt. Unter den Verbreitern waren neben dem Landesverband Schleswig-Holstein zahlreiche weitere AfD-Verbände:

  • AfD-Ortsgruppe Wismar
  • AfD Nordwestmecklemburg
  • AfD Morschen
  • AfD Saalekreis
  • AfD KV Coburg-Kronach
  • AfD KV Neuburg Schrobenhausen
  • AfD SV Bad Harzburg
  • AfD Landshut

How-To-Anzeige: 2. Anzeige oder Meldung?

Bevor Ihr zur Anzeige schreitet, solltet Ihr Euch noch einmal die rechtlichen Rahmenbedingungen anschauen. Ist das ein Fall für den Anwalt oder lediglich ein Verstoß gegen die Community-Standards? Einen Unterschied macht es auch, um was für eine Art von Delikt es sich handelt. Handelt es sich um ein Offizialdelikt, bei der die Staatsanwaltschaft bei Meldung von alleine tätig werden muss, oder ist es ein Antragsdelikt? Ist man selbst z.B. Geschädigter bei einer Beleidigung oder handelt es sich um Drohungen gegen eine Gruppe? Alles Fragen, die sich meist ohne große Mühe online recherchieren lassen. Ihr könnt den passenden Paragraphen in der Meldung nennen – müsst es aber nicht. Falls Ihr Geschädigter seid, solltet Ihr einen Anwalt zu Rate ziehen.

In meinem Fall ging es um die Verwendung des Symbols einer nationalsozialistischen Organisation. Dessen Verwendung und insbesondere Verbreitung ist nach § 86a StGB verboten. Ausnahmen gelten nur dann (§ 86a Abs. 3 in Verbindung mit § 86 Abs. 3 StGB), wenn – Zitat aus § 86a Abs. 3 StGB – „das Propagandamittel oder die Handlung der staatsbürgerlichen Aufklärung, der Abwehr verfassungswidriger Bestrebungen, der Kunst oder der Wissenschaft, der Forschung oder der Lehre, der Berichterstattung über Vorgänge des Zeitgeschehens oder der Geschichte oder ähnlichen Zwecken dient“. Keiner dieser Ausnahmetatbestände war bei dem betreffendem Posting erfüllt. Klassisches Offizialdelikt. Die Staatsanwaltschaft muss Ermittlungen aufnehmen.

How-To-Anzeige: 3. Wie & Wo?

Der einfachste Weg ist die Online-Wache. Alternativ könnt ihr auch auf einem Polizeirevier vorbeigehen und das dort ganz altmodisch machen. Meine Anzeige habe ich online gestellt. In meinem Fall war das Ergebnis wie folgt:

Was brachte die Anzeige?

1. Die Staatsanwaltschaft hat die Ermittlung wegen des Offizialdelikts der Verbreitung eines Nazisymbols aufgenommen
2. Der Landtag hat auf Antrag der Behörde die Immunität des als Verantwortlichen genannten AfD-Abgeordneten aufgehoben
3. Es kam zu einer Durchsuchung

Das ganze hat natürlich eine rege Berichterstattung nach sich gezogen:

Fazit: Nicht schweigen, machen!

Wer meint, es bräuchte mehr SA-Logos auf Wahlwerbung und Debatten darum, welcher Politiker als nächstes in den Hochofen geschoben wird, der findet das mit den Anzeigen natürlich ganz fürchterlich. Tatsächlich gibt es aber gute Gründe, warum beides in der politischen Debatte nichts verloren hat. Für mich ist es unerträglich, wenn NS-Symbole durch AfDler zu Zwecken der Wahlwerbung genutzt werden. Die kritiklose Verwendung und Weiterverbreitung von solchen Statements durch so viele Gliederungen und Einzelpersonen einer Partei über einen derart langen Zeitraum lassen auf einen Mangel an Distanz zur NS-Vergangenheit schließen, der für mich unerträglich ist.

Durch die Verwendung von NS-Symbolen und NS-Sprache (ja, „Lügenpresse“ gehört auch dazu) wird eine Normalität suggeriert, die es aus meinem Verständnis in Anbetracht des Holocaust und der Millionen von Toten im zweiten Weltkrieg niemals geben sein darf. Wer ständig „Meinungsfreiheit“ rufen muss, weil er in seinen Facebook-Posts nicht ohne rechtlich problematischen Nazi-Bezug auskommt, sollte vielleicht einmal sein Weltbild überdenken. Mit den schrecklichen Gräueltaten, die durch die SA als Schläger- und Mördertruppe der NSDAP begangen wurden, „kokettiert“ man nicht im Rahmen eines lustigen Facebook-Posts.

Auch wenn wir nun Rechte im Parlament sitzen haben, heißt das noch lange nicht, dass sie sich alles herausnehmen dürfen. Wichtig ist mir folgendes: Es bringt etwas, rechtsextreme Inhalte bei der Polizei zu melden. Nur wenn couragierte Menschen eine Anzeige aufgeben, kann die Staatsanwaltschaft alle weiteren Schritte in die Hand nehmen.

„Wer Unrecht lange geschehen lässt, bahnt dem nächsten den Weg.“ – Willy Brandt


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4 Kommentare

  1. > In Zeiten, in denen wieder Autos linker Politikern angezündet werden,

    Können Sie Ernst dabei bleiben, wenn Sie so etwas schreiben? Wessen Autos haben denn wohl die letzten Jahre gebrannt? Wer wird auf offener Straße angegriffen, auch Frauen und Senioren, nur weil sie ihr Recht auf Meinungsfreiheit ausüben? Merken Sie nicht, woher die Gewalt kommt? Wer die Freiheitsrechte einschränken will und schon kräftig verletzt? Wer läuft durch die Straßen und terrorisiert Andersdenkende?

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