Ehrenamt und Motivation – Mitgliederfreundliche Strukturen

Ich werde gleich viel darüber erzählen, wie ehrenamtliche Arbeit funktionieren sollte. Keine Angst, das wird keine Moralpredigt werden, und falls es doch eine werde sollte, geht sie in erster Linie an meine eigene Adresse. Denn ich bekenne mich schuldig im Laufe der letzten Jahre so ziemlich gegen alle gut gemeinten Ratschläge die ich Euch auf den Weg mitgeben will verstoßen zu haben. Bitte helft mit, dass meine Fehler nicht umsonst waren. Denn aus Fehlern kann man lernen.

Ehrenamt ist wichtig.

Die Vertretung von Bürgerinteressen stützt sich in vielen Bereichen auf das Ehrenamt. Egal ob Bürgerrechtsbewegung, Parteien, Vereine, Sportclubs oder Studentenproteste: Überall dort wo vieles auf Ehrenamt aufbaut, stellen sich ähnliche Fragen.

Das fängt mit dem Umgang mit Neumitgliedern an, geht über Diskussionskultur bis hin zu konkreter Arbeitsverteilung. Wenn es eines ist, was ich gelernt habe in den letzten Jahren, dann ist es die Tatsache, dass es leider bisher kein Patentrezept gibt. Das liegt auch daran, dass es sich hier um menschliche Zusammenarbeit handelt, die sehr von individuellen Persönlichkeiten und der Motivation abhängt. Was den einen fördert, demotiviert vielleicht den anderen. Während der eine jemanden braucht, der ihn an die Hand nimmt, wollen andere möglichst eigenständig planen und eigene Projekte umsetzen. Es ist wichtig das immer im Hinterkopf zu behalten.

Hinter diesem Workshop steckt eine Geschichte. Letztes Jahr war ich in Tschechien im schönen Horka auf einem Workshop bei dem zahlreiche Vertreter von Nichtregierungsorganisationen aus Mittel- und Osteuropa waren. Wir haben eine Woche in einem abgeschiedenen Kongresszentrum irgendwo im Nirgendwo verbracht. Abends tschechischen Wein getrunken und uns Aktivisten-Geschichten erzählt in der Dorfkneipe, die eine umgebaute Garage war. Jeder dort brannte für ein anderes Thema und wir alle wollten im Rahmen unserer Möglichkeiten etwas für die Gesellschaft zum Guten bewegen. Egal ob nun in Tschechien, Slowakei, Slowenien, Ungarn, Polen, Deutschland, Italien oder Österreich. Viele Sprachen, viele Organisationsformen und trotzdem ähnliche Probleme, wenn es um interne Strukturen geht.

Am letzten Tag hatten wir ein sehr interessantes Seminar in dem wir über genau diese Probleme gesprochen haben. Dieser Vortrag ist eine Raubkopie aus Horka,. Ich war so frei den Inhalt zu übersetzen und um eigene Erfahrungen zu ergänzen, da ich denke, dass diese Fragen wichtig sind.

Warum engagieren wir uns?
Es gibt ganz unterschiedliche Gründe, warum Menschen zu den Piraten kommen. Ich war vorgestern bei einem Stammtisch in Lüneburg. Dort haben bei der Vorstellungsrunde tatsächlich fast alle Mitglieder die Stichwörter „Vorratsdatenspeicherung“, „Korruptionsbekämpfung“ und „Zensursula“ als Eintrittsgrund genannt. Das hat mich als Datenschützerin und Aluhut natürlich sehr gefreut. Der Eintrittsgrund war also nicht in der Struktur einer „Partei“ begründet, sondern vielmehr in den Themen, die durch die Struktur nach vorne gebracht werden sollen. Eine Organisation darf daher niemals zum Selbstzweck werden – denn die Themen sind das Fundament auf dem sich Gründung und Engagement der Mitglieder begründen.

Die Strukturen sind gewachsen und mit ihnen die Inhalte. Das liegt nicht zuletzt daran, dass wir Piraten Menschen für uns gewinnen konnten, die neue Themen besetzen wollen und können. Jeder hat seine eigenen Gründe warum er oder sie eingetreten ist. Für mich ist es aber umso interessanter einmal zu schauen, warum Menschen dabeigeblieben sind und warum einige Menschen aufhören.

Was ist wichtig beim Einstieg?
Wir sollten wissen, was man von der Organisation erwartet. Welche Ziele sind mir primär wichtig und teilt die Gruppe diese Ziele? Eine Partei ist kein monolithischer Block, aber eine Gruppe von Menschen hat eben auch stets eine Geschichte von Entscheidungen hinter sich. Meist kann man einen bestimmten Meta-Konsens ausmachen, der nur selten in Frage gestellt wird. Bei politischen Gruppen ist es eben das politische Gemeinziel. Daher ist es wichtig, sich mit Dingen wie dem Grundsatzprogramm auseinander zu setzen um herauszufinden, ob die Organisation die eigenen Ziele teilt, oder eben nicht. Das klingt trivial, aber in der Praxis vergessen wir oft Besuchern einfach ein Grundsatzprogramm analog in die Hände zu drücken. Wer an Anfang weiß, woran er ist, ist später weniger wahrscheinlich enttäuscht. Wir haben es nicht nötig Projektionsfläche zu sein, denn wir haben in vielen Bereichen bereits Debatten geführt. Damit kann man auch offensiv umgehen.

Niedrige Einstiegshürden
Bei der Frage ob und wie gut eine Organisation neue Mitglieder aufnehmen kann stellt sich die Frage welches Angebot wir neuen Mitstreitern machen. Dabei ist es nicht immer die leicht die Balance zwischen Über- und Unterforderung zu finden. Wie gesagt – Jeder ist anders und jeder nach seinen Möglichkeiten. Während einige an die Hand genommen werden wollen, gibt es andere die sehr eigenständig an Projekten arbeiten wollen. Beides hat seinen Platz in einer guten Organisationsstruktur.

Wichtig ist: Wer will kann mitmachen aber jeder nach seinen eigenen Regeln. Überforderung führt meist dazu, dass Mitglieder zu schnell wieder aussteigen oder nach wenigen Jahren dem Burnout zum Opfer fallen. Nicht jeder kann oder will 100% geben. Und wir müssen mit dem Arbeiten, was wir an Hilfsangeboten haben. Schlechtes Gewissen einreden bringt meist langfristig das Gegenteil von dem, was man eigentlich erreichen will. Wer ehrenamtlich mitarbeitet tut dies freiwillig. Es ist wichtig zu akzeptieren, dass jeder seine eigenen Prioritäten im Leben setzt. Bei den einen ist es die Politik, bei den anderen Beruf oder Familie. Ideal ist es, wenn man Ehrenamt so strukturieren kann, dass hier keine Konflikte entstehen und die Mitglieder guten Gewissens alles unter einen Hut bekommen können. Hierzu muss man auch lernen zurückzustecken und Freiräume zu gewähren.

Um herauszufinden, wie jemand tickt kommt man an einem analogen Gespräch nicht vorbei. Ich finde den Ansatz der AG Neupiraten in der Hinsicht sehr viel versprechend. Neupiraten-Lotsen gehen bei Stammtischen gezielt auf neue Mitstreiter und die es noch werden wollen zu und bieten Hilfe und Orientierung an. Nicht jeder traut sich in der großen Runde kluge dumme Fragen zu stellen oder persönliche Situationen darzulegen. Vertrauenspiraten und Neupiraten-Lotsen können da helfen.

Was will ich beitragen? Was kann ich leisten?
Ehrenamt soll Spaß machen. Jeder von uns ist eine ganz eigene Persönlichkeit und wir haben unterschiedliche Fertigkeiten. Meine Leidenschaft ist beispielsweise das Texten. Ich war mal eine Zeit lang Redakteurin und habe auch für Werbung getextet. Ich kann mich nächtelang mit Worttetris befassen. Das ist keine Arbeit für mich, sondern das reinste Vergnügen. Dafür kann man mich mit Grafik-Bearbeitung jagen. Es ist klar, dass es immer Jobs gibt die gemacht werden müssen und die keiner gerne macht (z.B. die Geschäftsstelle aufräumen). Bei solchen Dingen müssen natürlich trotzdem alle mit anpacken. Trotzdem ist es nicht verkehrt sich selbst zu fragen Welche Schwerpunkte man setzen möchte und wo man wirklich gutes Beitragen kann und sich selbst auch noch damit eine Freude macht.

Was für Fragen müssen wir uns stellen?
* Bin ich eine Person, die gerne mit Menschen arbeitet oder habe ich lieber meine Ruhe?
* Mache ich gerne Technik? Oder bin ich nur bei der AG Technik weil ich es beruflich kann?
* Liegt es mir zu schlichten?
* Liegt mir Papierkram?
* Sehe ich mich eher in der verwaltenden Rolle?

In der Piratenpartei gibt es für fast jeden Skill die passende AG:
AG Neupiraten, AG Technik, Vertrauenspiraten, Redaktion Flaschenpost, AG Presse, Themen-AGs, AG Recht, AG Event usw… Und in jeder AG braucht es unterschiedliche Fähigkeiten die sich in einem Team ergänzen.

Es ist wichtig, dass wir offensiv damit umgehen, was unsere besonderen Fähigkeiten sind und auch darauf hinarbeiten, in diesem Bereich zu landen. Kleines Beispiel: Die Trainerin aus Tschechien hat berichtete, dass sie als Juristin angefangen hat, aber dann irgendwann frustriert war. Das lag aber nicht am Arbeitgeber oder an ihr sondern an der Tatsache, dass ihr eine andere Aufgabe – die Vermittlerrolle und das Motivationstrainig – mehr Spaß gemacht hat. Durch die Änderung ihrer Arbeit (zuvor dachte sie, sie könne unmöglich das Arbeitsgebiet wechseln, weil sie unverzichtbar sei) hat sie und die Organisation sehr profitiert. Für die Klagen hat sich jemand anders gefunden und sie ist Motivationstrainerin geworden. Und sie ist einfach sehr gut darin, was sie jetzt tut. Nur wer begeistert ist kann wahrlich begeistern.

Jede Organisation kann davon profitieren, wenn Menschen gemäß ihres Könnens und ihrer Fähigkeiten engagiert sind. Denn das steigert die Zufriedenheit und auch die Zusammenarbeit mit einander. Man sollte niemals denken, man sei unverzichtbar in einem Feld, dass einen nicht glücklich macht. Denn bei ehrenamtlicher Arbeit aber auch im Beruf ist es wichtig, dass man mit seiner Rolle zufrieden ist sonst geht das über kurz oder lang schief, wenn die Diskrepanz zwischen Erwartung und tatsächlicher Arbeit zu groß ist.

Positives Feedback
Wer kennt das nicht: In fast jedem Orts-, Kreis, oder Landesverband gibt es diese ganz besonderen Menschen, die unmenschliches für uns leisten. Immer sind sie zur Stelle, wenn es irgendwo brennt. Immer haben sie Zeit, wenn es darum geht die Welt zu retten. Wir haben uns so an sie gewöhnt, dass wir leider oft vergessen Danke zu sagen. Und irgendwann schleift sich das ein und schlägt in eine Erwartungshaltung um. Dann heißt es plötzlich: „Warum warst du nicht da?“ oder „Du warst nicht erreichbar.“ Auch wenn es keine vorherige Zusage gab.

Wenn wir von einem Menschen sehr gute und kontinuierliche Leistungen gewohnt sind, tendieren wir dazu sie daran zu messen. Fehler, die wir bei anderen durchgehen lassen würden, werden dann plötzlich zum Problem. Wenn jemand immer da ist, dann fällt sein Fehlen eher auf, als bei jemandem, der nur sporadisch erscheint. Doch ist das gerecht? So etwas ist tatsächlich gefährlich. Denn dies führt dazu, dass aus Spaß Verpflichtung wird. Schuldgefühle tragen nicht zu einem positiven Arbeitsklima bei. Positives Feedback ist da viel nachhaltiger und effektiver.

Es gibt keine Ausbildung zum Piraten. Wir sind in den meisten Fällen keine zertifizierten Versammlungsleiter, PR-Experten, keine Event-Techniker und keine Vorstände. Wir sind als Piraten alle Autodidakten. Ich glaube an das Prinzip Learning-By-Doing. Doch um zu lernen muss man auch Fehler machen. Das gehört dazu und ist nur menschlich. Ich habe in Niedersachsen drei Aufstellungsversammlungen erlebt. Glaubt mir, ich weiß wovon ich rede. Wir haben gelernt anstatt unsere eigenen Wahlhelfer unnötig unter Druck zu setzen. Bei der letzten Aufstellungsversammlung haben wir Vortreffen und Test-Auszählungen veranstaltet. Unser Aufstellungsversammlungs-Team ist wahrscheinlich mittlerweile das abgebrühteste im ganzen Bundesverband. Es sind Fehler passiert, aber wir sind daran gewachsen. Auch was die Anerkennung der Leistung anderer angeht. Denn wenn Fehler passieren, dann merkt man erst wie oft man stillschweigend vorausgesetzt hat, dass alles wie selbstverständlich funktioniert. Aber selbstverständlich ist beim Ehrenamt nichts.

Oft reichen auch die kleinen Gesten. Ein einfaches Danke auf der Mailingliste ist schnell getippt. Ich habe die Zeit gestoppt. Ich habe es in unter 10 Sekunden geschafft. Und ich glaube das könnt ihr auch.

Vertrauen wir uns?
Ehrenamt basiert viel auf zwischenmenschlicher Zusammenarbeit. Wer fühlt, dass ihm vertraut wird, der arbeitet besser und auch entspannter, als wenn man sich kontrolliert fühlt und glaubt, es werde einem misstraut. Vertrauen ist nicht zuletzt auch ein Zeichen der Anerkennung. Piraten sind frei. Und ich glaube Überwachung steht uns einfach nicht. Statt Kontrollfragen ob etwas schon erledigt ist kann man auch ein einfaches Hilfsangebot absetzen. Das ist freundlicher und man bekommt auch eine ehrlichere Antwort.

Kollegialer und ehrlicher Umgang
Freundlich sein und Probleme ehrlich und sachlich diskutieren gehört zum positiven Arbeitsklima. Egal ob es um Mandatsträger, Basis oder Vorstand geht. Wer selbst glaubt Kritik nicht angemessen rüberbringen zu können und öfter missverstanden wird, der kann sich einen Proxy suchen. Vertrauenspiraten können solch ein Proxy sein. Wir sollten uns immer vor Augen halten, warum wir Kritik üben. Wollen wir die Person bestrafen, oder wollen wir, dass es das nächste Mal besser wird? Diese Frage sollte man sich in einigen Situationen besser stellen. Im Kontext von Mailinglisten hilft es manchmal erst einmal tief durchzuatmen und eine Nacht drüber zu schlafen. Von Debatten im Zustand von Stress und Übermüdung ist generell abzuraten. Glaubt mir, ich weiß wovon ich spreche. Man muss nicht immer recht behalten müssen. Der Klügere gibt manchmal nach und kann differenzieren wo Kompromisslosigkeit notwendig und wo unnötig ist.

Mitbestimmung
Mitglieder sind besonders dann sehr aktiv, wenn sie eigene Freiräume haben und selbst Aktionen planen und durchführen können und dabei von Leuten die mehr Erfahrung haben unterstützt werden. Das stärkt die Identifikation mit der Gruppe, weil es dann eigene Projekte sind die als Gemeinschaftsprojekt realisiert werden.

Wer Mitglieder motivieren möchte sich einzubringen, muss ihnen auch zuhören und offen zu sein für neue Aktionsformen, Themen und Wege. Selbst wenn man nicht vollkommen überzeugt davon ist, dass etwas sinnvoll sein kann, sollte man doch zumindest konstruktiv darlegen warum man dieser Meinung ist und einen möglichen Kompromiss vorschlagen. Altkluge Ratschläge bringen nicht weiter. Man sollte jederzeit bereits sein, sich des Gegenteils belehren zu lassen. Das heißt: Informationen teilen, Hilfestellungen geben und Ideen nicht klein reden. Wenn wir auf Altkluge Ratschläge gehört hätten, gäbe es diese Partei heute nicht und wir würden hier nicht sitzen.

Nein sagen lernen!
Es hilft nicht der Partei wenn einzelne Mitglieder sich so sehr aufreiben, dass sie nach einigen Monaten auf 180% aus der Partei austreten oder die Scheidung einreichen müssen.

In dem Seminar in Horka hat unsere Motivationstrainerin ein Beispiel aus ihrer eigenen Organisation genannt. Dort haben die Leute freiwillig so viele Überstunden gemacht, dass das Arbeitsklima irgendwann nicht mehr schön war und viele gute Leute aufgehört haben wegen Überforderung – viele mit Familie. Das ist langfristig ein Problem, da so etablierte Strukturen oft ohne Nachfolger einbrechen und wichtige Projekte scheitern. Die Organisation hat daraufhin angefangen die Arbeitszeiten strikter durchzusetzen – und weniger von den Mitarbeitern zu fordern. Die Ergebnisse haben sich dadurch verbessert.

In einer größeren Gruppe sollte man das Thema ansprechen, wenn man merkt, dass einzelne sich zu sehr verausgaben und ihnen Hilfe anbieten oder sie etwas bremsen. Wer frühzeitig solche Entwicklungen bei sich oder anderen erkennt, kann Burnout oder Frustration vermeiden.

Delegieren lernen ohne Delegierte
Die Piratenpartei hat derzeit über 30.000 Mitglieder. Es stimmt, wenn wir nicht für die Themen streiten die uns wichtig sind, dann tut es vielleicht kein anderer. Aber wir machen das als Team. Keiner geht allein. Das bedeutet für den einzelnen ganz konkret, dass Hilfe zu suchen zu unserem Job gehört. Und es gehört auch zu unserem Job anderen unsere Hilfe anzubieten.

Niemand ist unersetzlich, wenn die Strukturen so ausgelegt sind, dass andere einspringen können und sollen. Wir brauchen keine Flaschenhälse in unserer Organisation. Wir brauchen transparente und offene Strukturen, damit wir sehen wo Not am Mann ist, um rechtzeitig Rettungsringe auszuwerfen.

Wir Helfer brauchen aber auch konkrete Ansagen. Denn jeder trägt seine eigene To-Do Liste mit sich herum. Meine Erfahrung zeigt: Je kleinteiliger die Aufgaben gestückelt werden, desto eher finden sich Menschen die einspringen können. Und je konkreter die Aufgabe beschrieben ist, desto eher können Menschen einschätzen ob sie sich das zutrauen. Im Zweifelsfall bietet sich die konkrete Ansprache Einzelner an: „Du kannst das, dir traue ich das zu.“ Aufgaben müssen klar umrissen sein. Es muss klar sein wer welchen Hut auf hat, damit Aufgaben auch erledigt werden. Grobe Zusagen, dass irgendjemand irgendwie mithilft funktionieren manchmal, aber nicht immer. Der berühnte Delegativ „Jemand müsste mal“, funktioniert meist nur sehr begrenzt.

Perspektiven aufzeigen
Menschen, die gerne Verantwortung übernehmen brauchen meist auch neue und abwechslungsreiche Aufgaben. Wer immer nur Info-Stände macht, der ist irgendwann demotiviert, weil nichts neues, aufregendes mehr kommt. Vorstände und auch Basispiraten sollten darauf ein Auge haben und Piraten, die viel leisten auch neue Aufgaben anbieten und mögliche Optionen aufzeigen. Das können langfristige Ämter sein, oder aber kurzfristige Aufgaben.

Wer zwischendurch einmal eine aufregende oder erfüllende Aufgabe bekommt, die neue Perspektiven auf die Organisation oder die Welt eröffnet, der entwickelt sich und die Organisation weiter. Bei meinem Seminar in Tschechien nannten Anwesende eben dieses Seminar als eine solche motivierende Veranstaltung bei der sie ihre Perspektiven als Repräsentanten der Gruppe erweitert haben und mit einem guten Gefühl nach hause fahren. Warum also immer die üblichen Verdächtigen auf Demos reden lassen oder in der lokalen PM zitieren, wenn wir doch alle für Themen statt Köpfe streiten?

Der Fun-Faktor

Der Faktor Spaß ist beim Ehrenamt unverzichtbar und wird allgemeinhin unterschätzt. Ein gemütlicher Glühwein-Abend um Weihnachten rum, Grillen im Stadtpark im Sommer oder ein gemeinsamer Doku-Abend im Herbst sind wichtige Evenets für eine Gruppe. Denn hier kann man sich auch menschlich besser kennen lernen und einmal gemeinsam ganz ohne Tagesordnung und Protokoll gemeinsam Zeit verbringen. Und vielleicht kommen einem ja beim Glühwein-Trinken besonders gute Ideen für eine kreative Protestaktion? Das ist sogar recht wahrscheinlich (Grüße nach Hessen!). Außerdem lernt man so die Menschen mit denen man zusammen die Welt retten will besser kennen und kann sie in Zukunft besser einschätzen. Wer weiß, dass der Humor von xyz halt so ist wie er ist und der Herr zyx es gerade Privat nicht leicht hat, sieht Menschen vielleicht in Zukunft ganz anders. Und geht mit Dingen die sonst zu Konflikten geführt hätten in Zukunft vielleicht nachsichtiger um.

Gute Workflows institutionalisieren
In der tschechischen Kleinstadt Horka habe ganz beeindruckende Menschen kennen gelernt, die Proteste organisieren, mit kreativen Studien gegen Missstände ankämpfen und ihren eigenen Weg gegangen sind. Oft über Umwege, die eigentlich im Nachhinein betrachtet keine waren. Die Gruppe die dort abends in der örtlichen Garagen-Kneipe nach den Seminaren saß hätte unterschiedlicher kaum sein können. Und doch waren wir uns alle in diesem Punkt ähnlich: Wir wollen etwas bewegen. Etwas verändern. Etwas gestalten. Für uns und unsere Mitmenschen. Für Interessen, die keine starke Lobby haben.

Und auch wir die wir hier sitzen verbindet ein gemeinsames Ziel. Wir wollen Politik positiv gestalten. Doch hierzu brauchen wir ein Fundament, auf das wir bauen können und das uns trägt.

„Man kann keine narrensicheren Institutionen konstruieren. Institutionen sind wie Festungen. Sie müssen klug angelegt und richtig bemannt sein.“ (K.Popper)

(Zeichnung: Charlotte von Hirsch)

 


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5 Kommentare

  1. Ein insgesamt schöner und lesenswerter Text.

    Aber hütet Euch vor der wörtlichen Interpretation von:

    „Wer will kann mitmachen aber jeder nach seinen eigenen Regeln.“

    Den Satz solltest Du aus Deinem Repertoire streichen, Katta. Gemeint war wohl, daß jeder nach verfügbarer Zeit, mitgebrachtem Können und Interessen mitmachen kann?!?

    Die „Regeln“ der kollektiven Zusammenarbeit – und gerade die sind ja Inhalt Deines Textes – müssen jedoch im Dialog innerhalb kleiner Gruppen gemeinsam abgesteckt werden.

    Und zwar nicht als in Stein gemeisseltes Gesetz, sondern wieder und wieder als gemeinsames in die Hände Spucken und für einen gewissen Zeitraum an einem Strang Ziehen.

    Es sind somit nie nur die eigenen Regeln.

    Der Zeitraum kann dabei beliebig kurz sein, es ist freiwillig erbrachte Arbeit, wichtig dabei ist insbesondere die immer wieder zu stellende ehrliche fundamentale Frage und Antwort nach dem „Wieviel Zeit hast Du?“.

    Mit der möglichen ehrlichen Antwort: „Sorry, keine!“ – welche bei freiwilliger (!) Arbeit absolut legitim ist.

    Aber dennoch gibt es eine harte Regel:

    Man sollte Zusagen zu halten versuchen.

    Ein rechtzeitiges „Ich glaube ich schaffe das [zeitlich] nicht!“ verbunden mit der Bitte um Hilfe ist vollkommen in Ordnung und sollte ggf. so früh wie möglich geäußert werden!

    Es wird denn vorkommen, daß sich Leute übernehmen und wieder und wieder mit nicht eingehaltenen Zusagen Andere enttäuschen und im miesesten Falle sogar blockieren.

    Vielleicht ist das auch eins der Kernprobleme in der dt. Politik: Zuviele ehrgeizige Egomanen, die sich vor lauter Angst vor der Nichtwiederwahl gar nicht mehr trauen zu sagen: „Ne, tut mir leid, für das Thema habe ich keine Zeit, kannst Du Dich da nicht selber engagieren, lieber Bürger?“.

    Die Bundestagswahl steht an. Ruft nach der Unterstützung durch die Bürger! Ruft laut!

    Denn diese Ehrlichkeit erwartet man von einer Mitmachpartei.

  2. Liebe Kattascha,
    das ist der menschlich schönste, irgendwie authentischste und liebenswerteste Text.
    Du findest letztlich keine echte Antwort – was auch schon mal ne tolle Message ist.
    Wie schön, wenn mehr dann dabei mitarbeiten, ne zu finden.
    Ich habe eine ziemlich klare – auch weil mein Leben echt anders war. Nicht ne KleinFamilie, sondern ne KreativKommune, die echt und auf TopLevel was Gutes bewegt hat.
    Und weil ich mir die vielen Probleme von Leuten habe schenken lassen..auch und gerade von Piratens.
    Und die Lösungen würden eigentlich gar nicht viel erfordern – nur müßten die Leute über ihren Schatten springen und mal die Wahrheit sagen.
    Wie geht man mit menschlichen Schwächen um?
    Wie sehr brauchen Leute die Hilfe anderer?
    Dann gelänge ein voll okayes web2.0-SMV-LernErlebnis – mit klaren Regeln gegen SS-ShitStorm und viel mehr Flausch.

  3. […] Dieses Wochenende trafen sich in Bielefeld auf der “Flauschcon” Piraten, die sich Gedanken über die Optimierung des innerparteilichen Umgangs miteinander machten. Wenn kommendes Jahr die Bundestagswahl ansteht, sollten die Hausaufgabe gemacht sein. Interessante Impulse gab es u. a. von Katharina Nocun über Neupiraten und Shitstorms sowie Strukturen ehrenamtlicher Politik. […]

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