Und täglich grüßt die Terror-PR

Mich hat noch nie ein Journalist gefragt was ich davon halte, dass Christen in Deutschland Asylbewerberheime anzünden. Während in Deutschland Flüchtlingsunterkünfte brennen, beschäftigt man sich lieber mit abstrakten Gefährdungsszenarien. Schalte ich den Fernseher an, ist gefühlt jedes zweite Wort Terror. „Muslime haben den Anschlag verübt,“ sagt der Journalist ausgerechnet zu einem Vertreter eines Verbandes gegen Diskriminierung von Muslimen. Die Terroristen seien also mitten unter den Muslimen. Dramatische Pause. Eindringlicher Blick. Der Verbands-Vertreter lächelt gequält. Und ich schäme mich. Ich schäme mich schon länger.

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Kann die Bundesliga noch stattfinden? Was ist mit dem Weihnachtsmarkt? Fehlt nur noch, dass die deutsche Schweinefleisch-Wurst gefährdet wäre. Wir werden täglich bombardiert mit Terror-Nachrichten im Konjunktiv. Aus jeder Meldungen spricht die Angst. Schnelle Schnitte. Wenig Fakten. Dafür umso mehr hypothetische Angstszenarien. Viele Berichte über „potentielle Gefährder“ werden durch Bilder begleitet: Menschen mit dunkler Hautfarbe, betende Menschen in einer Moschee oder Frauen in Kopftuch. Auch wenn zwischendurch betont wird, Muslime könnten nichts dafür… es sind diese Bilder, die hängen bleiben werden. Und ich habe ein Deja-vù.

Ich erinnere mich, wie nach den Attentaten auf das World Trade Center Muslime in den USA von einem aufgehetzten Pöbel  mancherorts geradezu gejagt wurden. Auch nach den Paris-Attentaten brennen in ganz Frankreich Flüchtlingsunterkünfte und Moscheen. Ich erinnere mich wie George W. Bush die „Achse des Guten“ und andere einen „Kampf der Kulturen“ diskutierten. Diesen „Kampf der Kulturen“ beschwört heute der Front National in Frankreich. Gestern wie heute folgt Krieg auf Attentate von Einzeltätern. Als könnte man Ideologien mit Bomben töten. Ich erinnere mich an Live-Bilder aus Kriegsgebieten, kommentiert von Moderatoren die sich mit Schaum vorm Mund in Rage redeten. Ich erinnere mich an „Embedded Journalism“ und wie Fernsehsender Quote damit machten, dass Millionen anderen live beim Sterben zuschauen wollten. Ich erinnere mich auch daran, wie die Region zu dem Trümmerfeld wurde, über das heute der IS herrscht. Es fällt zunehmend schwer zu glauben, dass man für die Freiheit kämpft, mit Bilder aus Guantanamo und Abu-Ghuraib im Kopf. In Deutschland diskutierten sie damals über Folter als legitimes Mittel. Und ein „Feindstrafrecht“, da Terroristen schließlich nicht die selben Rechte haben dürften wie normale Bürger. Und ich dachte: Ist das die zivilisierte Welt von der sie alle reden?

Der Spiegel warnte vor „Mekka Deutschland – die stille Islamisierung“.  2015, nach dem Attentat auf Charlie Hebdo warb der „Stern“ mit der Reihe „Islam und Europa: Der Ewige Zorn. Von Napoleon bis zu den Anschlägen von Paris – 200 Jahre blutige Konfrontation“. Der Focus druckte gleich eine Kalaschnikow ab. Unter dem Zitat „Das hat nichts mit dem Islam zu tun“ prangt in roten dicken Lettern „Doch!“. Cicero titelt „Kampf der Kulturen – Huntingtons Prophezeihung und der Dschihad in Europa“. Und ein Freund will mit seiner Mutter nur noch Deutsch in der Bahn reden. Sonst starrten ihn alle so an als wäre er ein Selbstmordattentäter und das sei ihm in letzter Zeit zunehmend unangenehm, sagt er.

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In Fadenkreuz gerieten von Anfang an vor allem Migranten und Muslime. Das war die Zeit als aus „Verdächtigen“ „Gefährder“ wurden. Eines Tages lag der Gesinnungstest für Studierende aus „bedrohlichen“ Herkunftsländern auf meinem Schreibtisch. Später erschien die Broschüre des niedersächsischen Innenministeriums über Islamismus, die als Kennzeichen bei Jugendlichen geänderte Essgewohnheiten, launisches Verhalten und ungewöhnliche Kleidung nannte. Ich weiß noch genau, wie ich dachte: Das ist Wahnsinn. Das trifft auf jeden pubertierenden Jugendlichen zu.

Wir müssen der Wahrheit ins Auge sehen: Nach einem Jahrzehnt „Krieg gegen den Terror“ zur Verteidigung der „freien Welt“ sind wir so unfrei wie lange nicht mehr. Milliarden sind in Überwachung geflossen. Die Geheimdienste sind zu mächtig geworden und längst unkontrollierbar. Seit den Paris-Attentaten gelten in Frankreich Notstandsgesetze. Wohnungen dürfen jederzeit ohne richterliche Anordnung durchsucht werden. Der Staat darf sogar Journalisten überwachen. Im Fernsehen heißt es, die Freiheit werde mit aller Härte des Rechtsstaats verteidigt. Ich denke: Wie viel bleibt denn da noch von Freiheit und Rechtsstaat? Der Rechtsruck in Europa ist auch deshalb bedrohlich weil ich mir gar nicht vorstellen mag was die Rechtsradikalen im Anzug mit solchen Befugnissen anstellen werden. Marine Le Pen und Frauke Petry lassen grüßen. Der Tausch vermeintlicher Sicherheit gegen Freiheit hat damit am Ende beides ruiniert.

Wahr ist auch: Nach mehr als einem Jahrzehnt „Krieges gegen den Terror“ sind wir so wenig sicher vor Terror wie nie zuvor. Die Zahl der Terroranschläge in Deutschland hat sich seit dem letzten Jahr vervierfacht. Aber es ist nicht der Terror, vor dem sie alle immer gewarnt haben. Dieser bedarf keiner Nachrichten im Konjunktiv. Im Wochentakt brennen Flüchtlingsheime. Auf offener Straße werden Menschen in Deutschland zu Tode geprügelt. In sozialen Netzwerken applaudiert der rechte Rand: „Das sind doch eh alles verkappte Terroristen“. Und das erste Mal seit Beginn des „Krieges gegen den Terror“ habe ich wirklich Angst. Und zwar um die kleine Schwester einer Freundin, die Kopftuch trägt. Und auf dem Weg zur Ausbildung als „Terroristenbraut“ beschimpft wird. Woche. Für Woche. Für Woche. Wer weiß, wie lange es bei Beschimpfungen bleibt.

6298752035_bc1b0dc03f_bTerrorism Definition CC-BY-SA: Jagz Mario

In Sachsen haben 30 Menschen einen Bus mit Flüchtlingen attackiert. In Rheinland-Pfalz brennt wieder ein Flüchtlingsheim. Irgendwo haben sie wieder wen umgebracht. Ein ganz normaler Tag in Deutschland. Auf einen mit harter Hand geführten „Krieg gegen den Rechtsterrorismus“ kann man hier lange warten.

Würde mich ein ausländischer Journalist fragen was ich davon halte, dass Menschen in Deutschland Asylbewerberheime anzünden und sich dabei auf „christliche Werte“ und die „Deutsche Kultur“ berufen, würde ich so etwas antworten wie: Es liegt nicht an der Herkunft. Nicht alle Deutschen sind Nazis. Das Christentum hat mit Terroristen nichts gemein. Auch wenn die Wahrheit komplexer ist, werden folgende Schlagworte hängen bleiben: „Deutschland“ „Nazis“ „Christentum“ „Terroristen“. Dazu ein paar schöne Bild-Impressionen von Deutschland und seinen Bewohnern. Die Empörung wäre groß, würden wir so alle in einen Topf geschmissen werden. Vielleicht fragt deshalb keiner. Denkt mal drüber nach.


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4 Kommentare

  1. Moin Siegfried,

    genau, Religion hat nichts mit Gewalt zu tun. Egal welche Religion. Und Verallgemeinerungen sind immer falsch. Genau das war die Botschaft des Textes. Freut mich, dass es dich zum Nachdenken angeregt hat.

    Grüße,

    Katta

  2. Machst Du denn nicht den gleichen Fehler? „[…]dass Christen in Deutschland Asylbewerberheime anzünden“. Soso. Ich bin Christ. Und ich zünde keine Asylbewerberheime an. Es ist eher so, dass das Anzünden von Asylbewerberheimen mit Christsein so viel zu tun hat wie ein Regenwurm mit höherer Mathematik.
    Nix für Ungut. Ich stimme Dir zu, dass wir auch „die Moslems“ nicht über einen kamm scheren sollten. Eine vernunftbasierte und differenzierende Betrachtungsweise soltle eigentlich eine urdeutsche Eigenschaft sein. Insofern forderst Du eigentlich beste deutsche Traditionen ein. Ganz im Gegensatz zu dem gröhlenden Haufen brauner Scheisse, die so undeutsch sind wie nur was.

  3. Ja der Terror durch Islamisten ist im Moment ein großes Thema schlimm!
    Aber wieso klingt bei uns in Deutschland immer gleich das Wort Fremdenfeindlichkeit mit und lässt uns Zugeständnisse da machen wo keine gemacht werden dürften?

  4. Danke für diese klare Analyse und die deutlichen Worte, Katta. Du sprichst mir aus der Seele.

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