TTIP & CETA & Jamaika

Während TTIP vorerst auf Eis liegt, ist das CETA-Handelsabkommen zwischen Kanada und der EU drei Tage vor der Wahl „vorläufig“ in Kraft getreten. Dies darf aber nicht darüber hinwegtäuschen, das CETA noch weit davon entfernt ist, offiziell ratifiziert worden zu sein. Die Abstimmung darüber, ob der Bundestag sich für eine endgültige Unterzeichnung des Abkommens aussprechen wird, fällt in die nächste Legislaturperiode. Der neue Bundestag wird darüber entscheiden. Wie eine Jamaika-Koalition zu dieser Frage steht ist mehr als unklar.

Was bedeutet Jamaika für CETA?

Ein Blick in die Wahlprogramme zeigt, wie stark die Ansichten zu CETA aus einander gehen. Während Grüne in den letzten Jahren offensiv gegen CETA mobil gemacht haben, begrüßen FDP und Union TTIP und CETA. Allen Beteiligten dürfte es schwer fallen von der eigenen Position abzuweichen. Spitzenpolitiker aller Parteien haben sich öffentlich positioniert. Egal wer von seiner jeweiligen Position abrücken müsste: Der Flurschaden wird immens sein.

Nicht vergessen darf man dabei, dass CETA sowohl im Bundestag als auch im Bundesrat abgestimmt werden muss. Bis in die Landtagswahlprogramme hinein reichen die Bekenntnisse für oder gegen CETA. Bei der derzeitigen Konstellation im Bundesrat könnte CETA gestoppt werden, wenn alle Länder mit Linker oder Grüner Regierungsbeteiligung sich enthalten. Eine Enthaltung ist dann üblich, wenn die Koalitionspartner sich nicht einig werden können. Bei einem Zustimmungsgesetz (so wird CETA wahrscheinlich behandelt) wirkt eine Enthaltung wie ein „Nein“. Doch einzelne Landesregierungen wie das grün-schwarz regierte Baden-Württemberg gelten als unsichere Bank. Hinzu kommt: Die Landtagswahl in Niedersachsen im Oktober könnte noch einmal die Stimmverhältnisse im Bundesrat verändern. Und: Wir wissen nach wie vor nicht, wann CETA in die Abstimmung geht – bis da hin können noch einige Landtagswahlen ins Land gehen….

So viel ist sicher: Allein mit der Linken ließe sich das Abkommen nicht im Bundesrat stoppen. Und einen plötzlichen Sinneswandel in der SPD wünschen sich zwar viele Mitglieder nach Jahren des aufreibenden parteiinternen Streits um TTIP und CETA. Doch wie realistisch eine 180-Grad-Wende ist kann sich jeder selbst ausrechnen.

Zumindest die Rot-Rot-Grüne Koalition in Bundesland Berlin legt sich im Regierungsprogramm fest: „Die Koalition wird CETA nicht zustimmen.“ Die Linke in Brandenburg gab 2016 auf Anfrage bekannt, man wolle gemeinsam mit der SPD dort CETA ebenfalls nicht zustimmen. Beim Schleswig-Holsteinischen Jamaika-Prototyp stellte man fest: „Bei der Bewertung verschiedener Freihandelsabkommen haben die Koalitionspartner unterschiedliche Positionen. Das wird sich auch auf das Abstimmungsverhalten im Bundesrat auswirken.“ Die Grünen sind dort Mitglied im Bündnis der „Volksinitiative SH stoppt CETA“. Wie es im Bund aussehen könnte, steht derzeit noch in den Sternen.

Die nächsten Tage entscheiden

Sage und schreibe 250.000 Menschen sind bei der großen Berliner Demo gegen die Abkommen im Sommer 2015 auf die Straße gegangen. In den Niederlanden wurde ein Referendum angekündigt. In Österreich ruft ein Bündnis mit einer halben Millionen Unterstützern per Volksbegehren zur Ablehnung auf. Das pikante dabei: Damit CETA vollständig und endgültig in Kraft tritt, müssen alle EU-Mitgliedsstaaten zustimmen. Stimmt nur ein Land mit Nein, ist CETA gescheitert. Ob das Deutschland sein wird oder nicht – die Koalitionsverhandlungen werden darüber mit entscheiden.


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2 Kommentare

  1. Wenn die SPD wieder auf die Beine kommen will, dann muss sie sich in Sachen CETA neu positionieren. Gerade nach diesem Wahldesaster sehe ich durchaus die Möglichkeit, dass es zu einer Verschiebung, vielleicht zu einer großen Verschiebung hin gegen CETA kommt. Diesmal muss man ja kein Gesichtsverlust führender SPD-Politiker befürchten.

  2. Leider kann ich Deinen Optimismus zum Verhalten der Grünen in einer Jamaika-Koalition nicht teilen. Die Erfahrung der vergangenen 20 Jahre hat gezeigt, dass nicht einmal grüne Grundüberzeugungen eine Regierungsbeteiligung überlebt haben. Dass sie dem Drängen von Union und FDP ernsthaften Widerstand entgegensetzen, erscheint mir daher weitaus mehr Wunsch als Wahrscheinlichkeit.
    Daher gehe ich davon aus, dass CETA wie auch TTiP unter schwarz-gelb-grün – mit vermutlich kreativen Begründungen – der Weg geebnet werden wird.

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