Die tägliche Überdosis

Qualität und intelligente Inhalte sind eine Marktlücke. Und Online ist der Markt für intelligente Unterhaltung gigantisch. Das haben nicht nur Netflix und Co. erkannt. Sie besetzen nun genau das Feld, das gerade die Öffentlich-Rechtlichen online erst zu lange verschmäht und in ihrem eigenen Sendeprogramm anschließend langsam Stück für Stück zusammengestrichen haben. Ja, ich habe dieses Jahr GEZahlt. Doch wofür eigentlich?

Zu Gast in der Parallel-Welt Fernsehen

CC-BY-2.0 Sarah Reid

Ein ganz normaler Tag: Der Wecker klingelt. Ich stehe auf. Erstmal Kaffee. In der Küche schalte ich das Radio an. Dann wieder aus. Damit habe ich meine tägliche Dosis öffentlich-rechtlicher Medien bereits zu mir genommen.

Ich war in den letzten 12 Monaten in vielen Talk-Shows zu Gast. Über die meisten Sendungen musste ich mich ehrlich gesagt erst einmal online informieren – sie waren mir bis da hin vollkommen unbekannt. Fernsehen ist für mich eine Parallel-Welt ohne Berührungspunkt mit meinem Alltag. Dafür gibt es gute Gründe. Gute Serien oder Filme, die mir nicht das Gefühl geben mich systematisch zu verdummen, sind selten. Gefühlt versickert ein Großteil meiner GEZ-Gebühren in Fußball-Lizenzen, Schmonzetten und Schlager-Conventions. Und „Jugend“-Sendungen, die niemand unter 30 ernsthaft schaut. Deren Lockerheit so verkrampft ist, dass einen unwillkürlich Mitleid überkommt. Vorgelesenen Tweets im Fernsehen wirken irgendwie hilflos.

Längst ist es kein intellektuelles Alleinstellungsmerkmal mehr keinen Fernseher zu besitzen. Man befindet sich in bester Gesellschaft. Ein Tatort die Woche ist das höchste der Gefühle. Ansonsten stehen bei mir eher Produktionen aus Übersee wie „House of Cards“ oder „Borgen“ oder „Kommissarin Lund“ auf dem Programm. Wenn man doch öffentlich-rechtliche Inhalte konsumiert, dann nur selten bei den Anbietern. Eine funktionierende Mediathek ohne Löschroutine ist in den meisten Fällen in diesem Land nicht verfügbar. Wer intelligente Unterhaltung will, wird so fast automatisch in die Grauzone dubioser Streaming-Dienste gedrängt.

Das Netz ist mein Leitmedium

CC-BY-2.0 BiblioArchives / LibraryArch

Die Welt verändert sich. Es gibt ganz normale Leute, die mit ihren Youtube-Channels heute mehr Zuschauer erreichen als RTL 2 zur Primetime. Ich habe Freunde, die lieber dem Youtuber gronkh beim Zocken und Philosophieren zuschauen, als sich von RTL2 erklären zu lassen, was man geil zu finden hat. Statt das zu bedauern und dem Medium Fernsehen hinterherzutrauern begrüße ich diese Entwicklung sehr. Vor einem Jahr holte gronkh meinen Blog vom Netz, indem er auf einen Artikel über Generationengerechtigkeit von mir verlinkte – so ein ernstes Thema findet aus der Perspektive Junger Menschen im TV meist nur in der Nische statt.

Statt mich nach der Schule mit Andreas Türk und Barbara Salesch berieseln zu lassen wählte ich meine Quests lieber selbst am Rechner aus. Das Konzept von Fernsehen ist mir längst fremd. Es ist bevormundend. Ich will selbst entscheiden, ob mir gerade nach Doku oder Verdummung, Gehirnfick oder Nachrichten ist. Während Online-Sender wie Netflix mit intelligenter Unterhaltung on Demand einen Erfolg nach dem anderen feiern, schafft sich das Fernsehen weiter ab. Die GEZ-Einnahmen lagen 2012 bei 7,49 Milliarden Euro. Die Novelle des Rundfunkbeitrag-Einzugs spült noch einmal gehörig Geld in die Kassen. Doch immer mehr Zahler haben das Gefühl, die GEZ-Gebühren wären eine Art Maut an eine Parallelwelt, die man eh nie betritt. Wozu dann zahlen?

Qualität kommt nicht von Quote

CC-BY-2.0 Steve Jurvetson

Wenn die wenigen anspruchsvollen Sendungen meist Nachts ausgestrahlt werden, dann lohnt es sich als Sender über die Erfüllung des eigenen Bildungsauftrags nachzudenken. Ich brauche als Beitragszahler ehrlich gesagt kein Wetten-Dass. Und auch keinen neuen “Quotenhit”, der intellektuell mit Bauer-sucht-Frau konkurriert. Und erst recht keine Liebesschmonzetten, die mir eine heile Welt vorgaukeln, die 40 Jahre zurück liegt. Das alles und noch viel mehr bekäme ich auch wo anders serviert, wenn es nicht bei den Öffentlich-Rechtlichen laufen würde. Dafür braucht man keine GEZ.

Was ich für mein Geld erwarte ist jedoch mehr kritischer unabhängiger Journalismus und investigative Reportagen. Journalisten die nicht locker lassen statt Stichwortgeber für Politiker zu spielen. Und Intelligente Filme und Serien, die meine Sicht auf die Welt verändern. Die mich überraschen statt in meinem Weltbild zu bestätigen. Und vielleicht eines Tages die Chance, Vorlesungen per Stream schauen zu können. Kurzum: Etwas, dass mich als Zuschauer fordert. Und ernst nimmt. Etwas, dass in der reinen Marktlogik keinen Platz hat und doch gesellschaftlich wertvoll ist. Jeder will mal abschalten und sich auch manchmal einfach nur berieseln lassen. Doch zahlen wir dafür GEZ? Ich denke nicht. Denn simple Realitätsflucht kann man schließlich auch wo anders deutlich günstiger haben. Meine Medienrealität findet online statt. Derzeit habe ich das Gefühl, 17,98€ wandern jeden Monat zum Großteil in eine virtuelle Parallelwelt. Mit der mich immer weniger verbindet. Erst recht nicht die kaputte Mediathek.

Das meiste davon mag ich mir nicht einmal illegal im Stream anschauen.

CC-BY-2.0 Martin Howard

Irgendwann schlafe ich vor dem Rechner im Bett ein. Der Wecker klingelt. Ich stehe auf. Erstmal Kaffee. In der Küche schalte ich das Radio an. Dann schalte ich es aus. Damit habe ich meine tägliche Dosis öffentlich-rechtlicher Medien zu mir genommen. In meinem Freundeskreis macht mich das zum Exoten – die meisten hören nicht mal mehr Radio.

(Alles CC-BY-2.0 Bild1:   Sarah Reid | Bild 2: BiblioArchives / LibraryArch | Bild3:Steve Jurvetson Bild4: Martin Howard)


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8 Kommentare

  1. Wenn man sich die Werbung gerade im Netz für den Rundfunkbeitrag anschaut, ist die Entkoppelung von Fernsehkonsum und Rundfunkbeitragszahlung durchaus gewollt. „Einfach.Für alle!“ lautet das Motto und man sieht dazu Studenten in einer WG, die Spaghetti kochen, von Radio, Fernsehen oder selbst Internet ist hier nichts zu sehen.

    Man möchte, dass die Bürger den Rundfunkbeitrag als eine Art „Demokratieabgabe“ begreifen, so, als würde unsere Demokratie, würde man ARD, ZDF & Co. heute abschalten, morgen unser Rechtsstaat zusammenbrechen. Was ein Blödsinn!

    Gerade aber da so getan wird, als wäre es selbstverständlich, 18 Euro im Monat für etwas zu zahlen, was von der überwältigenden Mehrheit der Bürger in diesem Land weder gewünscht noch benötigt, ist es dringend an der Zeit, aufzustehen und dem ÖRR die Rote Karte zu zeigen und die Petition zu unterstützen. Unterschriften aus anderen Bundesländern erwünscht!

  2. Danke @Kattascha… Du schreibst mir aus der Seele. Ich frage mich auch schon seit langem wozu der Fernseher eigentlich gut ist. Zur „normalen“ Fernsezeit so zwischen 20-22Uhr läuft in der Regel nichts was sich lohnt anzusehen. Und sollte wirklich mal ein Film laufen, dann gibt es mehr Werbung als Film. Dementsprechend lange läuft das denn. Also nichts für Leute die früh aufstehen müssen.
    Noch ein Wort zum Fernsehmarkt: Ist es nicht so, dass die GEZ-Gebühr eingeführt wurde damit Fernshen nicht zu einem Markt wird? Leider ist von diesem Gedanken nichts mehr übrig geblieben.

    Gruß Dirk
    Zum Glück gibt es das Internet, da kann ich Nachrichten lesen wann und von wem ich will. Diese Gleichschaltung unserer Medien geht mir schon seit längeren gegen den Strich. Und für den Filmgenuss gibt es zum Glück auch genügend Streamingdienste. Ich geb dem Fehrnsehn in seiner jetzigen Form noch 10 Jahre. Dann ist es so unbedeutend, dass unsere Kinder nicht mal mehr wissen was das ist.

  3. Alles richtig, aber zu kurz gedacht….

    Der Fehler liegt dieser Satz: „Qualität und intelligente Inhalte sind eine Marktlücke. “

    DIeses Marktsegment ist nun mal zu schmal, als dass ein Medienprodukt, dass diese Lücke bedient, damit überleben könnte. Es ist die breite Masse, an die sich mittlerweile ALLE Medien von Bedeutung wenden, weil nur dort noch ein Überleben auf dem Markt möglich ist. Die Inhalte von ÖR, Spiegel, Süddeutscher, Zeit und FAZ machen aufmerksamen Glotzern und Lesern dies deutlich. Musterbeispiel sind die gleichgeschalteten Nachrichten zur Ukraine. (Bei den ÖR ist die politische Besetzung der Rundfunkräte die Ursache)

    Medien Konzerne, inkl. TV, sind Wirtschaftsunternehmen deren Aufgabe es nicht ist, die Bürger zu informieren und aufzuklären. Ihre völlig legitime Aufgabe ist es, Profite zu erwirtschaften. Man muss also das drucken oder senden, was die mittelmässige Masse für die Wahrheit hält und nachdem man das ein paar (Merkel-)Jahre lang gemacht hat, wird es zum Selbstläufer… und da sind wir jetzt angekommen. Man hält eine Wahl zwischen CDU und SPD allen Ernstes für Demokratie, als Piratin wissen sie das sicher.
    Die Einschränkung dessen, was sie die Freiheit im Netz nennen, ist nur eine Frage der technischen Möglichkeiten, und somit der Zeit!

    Zu Ende gedacht zeigt das alles uns, dass das eigentliche Problem die Demokratie ist, in der die Mehrheit, sei sie noch noch manipuliert und verdummt, immer die Macht hat, diejenigen die sie für ihresgleichen hält, zu wählen….

    Wenn sie einen Ausweg aus diesem Dilemma sehen, wäre ich erfreut ihn zu erfahren…

  4. Borgen und Lund kommen aus Dänemark, nicht aus Übersee.
    Und ja, es ist sehr schade, dass wir so tolle Serien nicht selbst produzieren sondern es gerade noch hinbekommen, sie einzukaufen.

  5. Hallo Katharina.
    Zuerst: Toller Blog. Vor allem sehr schön geschrieben :-)

    Aber: Was mich daran stört, ist der Minderheiten-Anspruch auf ‚die breite Masse‘

    Als Beispiel:
    Sportlizenzen. <> (Quelle: Fifa.com) … Das ist fast ein Drittel der Bevölkerung!!! Nee, Couchpotato-Weltmeister werden hat in der BRD keinen Markt … o.O

    Der zwar sehr eloquent und gut geschriebene Artikel spricht einige sehr, sehr wichtige Probleme an, differiert mir aber zu wenig. RTL II als Beispiel für den Untergang des Abendlandes der deutschen Medienlandschaft mag zwar plakativ sein, ist aber beim Thema GEZ vielleicht ein wenig abseits?
    Aber die eigenen Konsumwünsche als allgemeingültigen Anspruch zu verstehen ist jetzt nicht soviel besser als das was jetzt auch läuft. Nur für andere dann eben.
    Die Öffentlich-Rechtlichen konkurrieren ja mit den privaten, da Konzepte zu kopieren um wieder Quote zu gewinnen macht schon Sinn. Irgendwer guckt das ja anscheinend, sonst würd’s ja nicht produziert werden. Lesen ja auch Leute die Bild.
    Übrigens die erfolgreichste Tageszeitung hierzulande. (Hat mehr als doppelt so viel Auflage wie SD, FAZ und Welt zusammen, Quelle: http://de.statista.com/statistik/daten/studie/73448/umfrage/auflage-der-ueberregionalen-tageszeitungen/)
    Erschreckend? Joa… Schon irgendwie. Aber so ist das nunmal in unserer Marktwirtschaft. Wir kriegen genau das was Wir (Als Gesellschaft!) wollen. Ist ja keine Zwangsernährung. Nur Massenkonform. Wer sich ausserhalb der Herde wohler fühlt, kriegt sein Futter halt nicht am Trog sondern muss in den finsteren Wald und jagen gehen.

    Eine Idee hätt ich ja noch: Bei der Vielzahl an Sendern die durch die GEZ gefördert werden, könnte ja eine Spezialisierung zu unterschiedlichen Zielgruppen und Themen erfolgen, könnte ich mir vorstellen. Der BR und 3Sat machen das schon fast ganz gut, gerade für 20-30 Jährige, finde ich.

    Liebe Grüße!
    – kd.

  6. Die Kirchensteuer MUSS ich nicht zahlen, die Zwangsgebühr schon. Man fühlt sich hilflos :-(

    Und niemand scheint „richtig“ dagegen zu sein. Alle grummeln ein bisschen vor sich hin, aber in der Politik gilt das Bezahlmodell nicht als Skandal. Verstehe ich nicht :-((

  7. Was mich an den „Rundfunkgebühren“ ebenfalls stört, ist, daß davon weder gute Serien eingekauft oder ordentliches Bildungsfernsehen und guter Journalismus produziert werden, sondern, daß ein großer Teil davon dazu dient, Pensionen zu zahlen.

    Nicht, daß ich jemandem, der sein Leben lang gearbeitet hat, seine Rente nicht gönne. Aber daß ich mit Gebühren für etwas bezahlen soll, das ich nicht einmal nutze, weil die Qualität so grottenschlecht ist, daß sich meine Intelligenz permanent beleidigt fühlt, das geht auch nicht. Verfehlte Politik, die Kosten auf die Schultern von Leuten zu legen, die diese Kosten nicht verusacht haben. (Gilt für’s Rentensystem allgemein).

    Das nur zusätzlich zu den Punkten, die Du schon aufgeführt hast. Dieses System ist höchst ungerecht und unfreiheitlich. Ich hätte nämlich gerne die Freiheit der Wahl, für was ich mein Geld ausgebe. (Ich weiß, ich weiß … ein völlig neues und unrealistisches Konzept …)

  8. Hi Katta, es macht Spaß deine Artikel zu lesen (seitdem sie nicht mehr Wahlkampf für die Piraten sind). Du schreibst tiefgründig analytisch reflektiert und gleichzeitig unterhaltsam. Die Netzschreiber der ehemals namhaften Zeitungen sollen sich das mal abgucken …

    Mir ist ein zusätzlicher Aspekt wichtig, der bei dir nicht vorkam, vielleicht aber als Empöreria rhetorisch auch nicht reinpasst. Es ist dieser: Die Form, wie die GEZ heute Geld sammelt, ist ungerecht, weil die Abgabe unabhängig vom tatsächlichen Konsum der bereitgestellten Inhalte zu zahlen ist. Es wird also im Unterschied zur bisherigen Situation (vor 2013) davon ausgegangen, dass die Sache mit dem öffentlichen Rundfunk von so hoher gesellschaftlicher Wichtigkeit sei, dass auch Leute dafür aufkommen sollen, die in immer größerer Zahl eben genau das Gegenteil empfinden.

    Ich stimme dir vollkommen zu darin, dass das Geld für einen Schmunz ausgegeben wird, der kaum noch zu unterbieten ist, ob es nun Sportübertragung ist (Wir, die Couchpotato-Weltmeister) oder Schmunzetten.

    Es ist nicht nur das veränderte Medienangebot, die für das zurückgehende Interesse am öffentlichen Rundfunk verantwortlich sind, sondern auch Senderstrukturen, die mit dem Zeitgeist nicht mithalten und immer Hoffnungsloser agieren – erst darin lässt sich dieser enorme Mangel an Qualität erklären.

    Wir „Deutschen“ sind eben konservativ, lieben das Altgediente und sind, leider, nicht sehr schnell und gerne innovativ.

    GEZ auflösen bringt wohl die einzige Chance etwas besser zu machen.

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