Weltfrauentag: Warum Berlin es genau richtig macht

Ich muss ehrlicherweise zugeben: Dass der Weltfrauentag in Berlin durch Rot-Rot-Grün zum Feiertag erklärt worden ist habe ich nur am Rande mitbekommen. Als Freiberufler sind Feiertage für mich nicht wirklich relevant. Die Feiertags-Debatte erschien mir nicht sonderlich wichtig. Ich habe seitdem meine Meinung geändert. Warum, will ich Euch gerne erklären.

Business as usual

Der Weltfrauentag begann für mich wie immer. Das bedeutet: In meinem Mailpostfach stapelten sich Rabatt-Coupons für Schminke und den nächsten Schuh-Einkauf. Da hält sich meine Begeisterung natürlich in Grenzen. Etwas sehr merkwürdiges passierte dann aber, als ich gegen Mittag vor die Tür trat und realisierte: „Alle Geschäfte sind zu. Es ist wirklich Feiertag.“ Und ich weiß nicht genau warum, aber das fühlte sich irgendwie irreal an.

Aber warum eigentlich? Na ja, die meisten Feiertage (bis auf den Tag der Deutschen Einheit) sind religiöser Natur. Dass sich ein Parlament hinsetzt und sagt: „Dieser Tag ist so wichtig für uns als Gesellschaft, dass wir einen Feiertag ausrufen“, ist die Ausnahme. Feiertag sind quasi „Gott-gegeben“. Wir sind es gar nicht gewohnt, hier ein Mitspracherecht zu haben.

Ich will am Weltfrauentag keine Blumen. Ich will eine Debatte über weibliche Todesopfer durch häusliche Gewalt (2017: fast 150). Über Einkommensunterschiede (21%). Über die miserable Frauenquote im Bundestag (31,3%). Klar, ein Feiertag ist kein Allheilmittel. Aber es ist aus meiner Sicht ein wichtiges Signal, das zeigt: Gleichberechtigung ist so wichtig, dass es an diesem Tag eben kein business as usual in Berlin gibt. Ich finde das absolut richtig. Es ist ein Zeichen der Wertschätzung.

Gleichberechtigung: Wir müssen reden

Der berliner Ku´damm war am Weltfrauentag voller Touristen, die scheinbar fassungslos an geschlossenen Geschäften vorbeiflanieren. Vor einem Geschäft spricht mich eine Frau an. Sie hatte ihre beiden Töchter im Schlepptau. „Was ist hier los?“, fragte sie aufgelöst. „Warum ist alles zu?“ Und es fühlte sich irgendwie gut an zu antworten: „Na, heute ist doch internationaler Frauentag. Das ist hier in Berlin eine Feiertag. Um ein Zeichen zu setzen, dass die Debatte um Gleichberechtigung wichtig ist.“ Sie schaute verärgert, es macht die Einkaufspläne zunichte. Die Tochter aber lachte mich an. Und ich dachte: „Was für ein schöner Tag.“


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3 Kommentare

  1. Liebe Avocado,

    es gibt Studien die darauf hindeuten, dass Frauen selbst bei gleicher Qualifikation weniger Chancen auf Beförderung, etc. haben. Manche wollen das gar nicht, weil die Betreuungssituation für Kinder mies ist und man dann nicht „einfach“ Vollzeit arbeiten kann. Führungspositionen halbstags sind extrem selten. Es gab zahlreiche Rechtsstreitigkeiten über die von Dir geschilderten Fälle.

    LG

    Katta

  2. Ich finde es grundsätzlich gut dass es einen weiteren Feiertag gibt. Allerdings muss bei der ganzen angeblichen „Frauenbenachteilungsdebatte“ auch mal bei der Wahrheit geblieben werden:

    Nennt mir bitte eine Firma, bei der Frauen

    – bei gleicher Qualifikation
    – bei NICHT frei verhandelbaren Gehalt
    – bei gleicher Arbeitszeit
    – bei gleicher Position
    – bei gleich langer Firmenzugegörigkeit/Arbeitserfahrung

    tatsächlich ein geringeres Bruttogehalt bekommen!

    Im öffentlichen Dienst gibts das schonmal nicht!

  3. Ironie 1: Anscheinend will der Einzelhandel den „entgangenen“ Umsatz nachholen. Am Sonntag ist „verkaufsoffener Sonntag in Berlin“ Für die Mitarbeiterinnen im Einzelhandel ist das womöglich ein Bärendienst.
    Ironie 2: Dank Pendeljob habe ich als Mann frei, meine Kinder sind in der Schule und meine Frau in Brandenburg arbeiten. Und am Reformationstag ist es dann andersrum, für Pendler eine eher familienunfreundliche Regelung.
    Ironie 3: Bisher sind die Brandenburger am Reformationstag in Berlin shoppen gewesen, zum 08.03. haben die Einkaufscenter im direkten Speckgürtel explizit mit „offen am 08.03.“ geworben… Hoch lebe der Konsum…

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