Kinox.to: Ein Spezialkommando für das Urheberrecht

Denke ich an Lübeck, dann kommen mir hauptsächlich seltsame Musikinstrumente, ein Badesee und Brombeeren in den Sinn. Doch hinter der Fassade eines norddeutschen beschaulichen Fachwerk-Idylls verbirgt sich ein dichtes Netz aus organisierter Kriminalität. So jedenfalls lautet der Tenor der Berichterstattung zu dem Razzien im Umfeld der Streaming-Seite „Kinox.to“. Besonders beeindruckt hat mich dieses „Symbolbild“ im Hamburger Abendblatt. Im Text darunter hieß es:

kinox
„Die Hauptbeschuldigten, zwei Brüder im Alter von 25 und 21 Jahren, wohnen in Lübeck bei ihren Eltern – eine Spezialeinheit stürmte das Haus, die Brüder waren bereits verschwunden.„

Vielleicht lagen die Jungs mal mit mir am selben Lübecker Badesee  – man sieht es den Menschen ja nicht an. Vielleicht saßen die Eltern grad bei Kaffee und Kuchen als die „Spezialeinheit“ einrückte und debattieren nun über Taschengeldentzug. Ich für meinen Teil habe ein dejá vu. Und da bin ich wohl nicht die Einzige. Vorausschauende Menschen haben sich bereits „kinoy.to“ und „kinoz.to“ reserviert.

Die Durchsetzung des Urheberrechts wirkt in diesen Tagen wie ein bemühtes Theaterstück. Die Darsteller sitzen ihre Vorstellungen ab bis zum Ende der vom Intendanten verordneten Spielzeit. Zum Klatschen bleibt längst keiner mehr. Aber Hauptsache der Intendant ist zufrieden. Und in den Zeitungen erscheinen gute Kritiken (s.o.).

Die großspurige „digitale Agenda“ der Bundesregierung wird an dieser großen Farce wenig ändern. Aber bestimmt war die Premierenfeier gut. Und alle haben sich die Hände mit großer Ernsthaftigkeit geschüttelt und betont wie notwendig es doch sei mit der Zeit zu gehen. In Ma(a)ßen, versteht sich. Währenddessen entpuppt sich das von Union, SPD und FDP hochgelobte Leistungsschutzrecht als Rohrkrepierer.

Anlässlich der Abonierung eines Online-Senders lädt ein Freund zum gemeinsamen Fernseher-aus-dem-Fenster-Schmeißen. Das letzte Mal ist länger her.Zeitungssterben klingt so schön endgültig, beim Fernsehsterben haben weniger Leute was dagegen.Und eigentlich sollte ich die 5 Lagen Tageszeitung vom Tisch entfernen. Aber die Überschrift des kinox.to Artikels ist so schön reißerisch.

Montag liegt wieder meine Zeitung im Briefkasten. Der Zusteller bekommt keinen Mindestlohn – die Verleger haben eine Ausnahme erstritten und die Politik hat es abgenickt. Ich überlege eine Kleinigkeit am Briefkasten zu deponieren – als Entschuldigung dafür, dass Leute wie er das Ganze nun ausbaden müssen. Zum Schnittchenessen sind immer andere geladen.

 


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5 Kommentare

  1. Hans,

    glaub mir ich kenne eine Menge Leute die bei Film und Fernsehen in prekären Verhältnissen arbeiten. Bei denen landet aber auch nix vom Kuchen, wenn der Film schwarze Zahlen schreibt. Da ist man gerade sehr froh über den Mindestlohn.

    Neue Geschäftsmodelle, das ist der Trick. Und ich befürchte viel zu wenige begreifen warum die ganzen Popsternchen seit neuestem wieder ausgiebig auf Tour gehen und Netflix einen Markt aufrollt, der ihnen von den etablierten Fernsehkanälen geschenkt wurde.

    Das Ganze kann man auch in größeren Dimensionen denken, Hans. Ich frage mich wann die erste Hausdurchsuchung gegen den Betreiber einer Tauschbörse für 3D Drucker Entwürfe kommen wird. Die Industrie die dann ihr Geschäftsmodell ändern müsste ist gigantisch und verglichen damit ist die Filmwirtschaft winzig. Wird es eine Alleinerziehende Mutter sein, die sich Gegenstände nachdruckt, die sie sich einfach nicht leisten kann? Werden 3D-Drucker vielleicht am Ende aufgrund des Lobbydrucks verboten? Wird Indien wärenddessen nicht nur lebenswichtige Generika trotz der Patentansprüche westlicher Firmen weiter erlauben wenn die Bevölkerung die Medikamente einfach braucht und werden sie aus diesem Grund 3D Drucker in entlegenen Dörfern aufstellen? Werden es gar die selben sein, die hierzulande beschlagnahmt werden? Und was bedeutet das langfristig für uns? Ist das Fortschritt oder ist das Rückschritt?

    Ich werde jetzt ins Auto steigen und raubkopierte Kassetten hören. Zeiten ändern sich. Einige Sachen ändern sich nie.

  2. Leider siehst Du das Problem Urheberrechtsverletzungen, wenn Du es aus dem Blickwinkel „unangemessener Polizeieinsatz im Wohngebiet“ betrachtest, etwas verkürzt. Der Schaden, der in den letzten 15 Jahren entstanden ist, ist tatsächlich enorm. Und das Schlimmste daran: es hat nicht der Mainstream gelitten, sondern gelitten hat die Investition in Kulturgüter am Rand des Geschmacksspektruns, also die Vielfalt, die Du doch auch einforderst! Das kann doch in niemandes Interesse sein??

    Um hier wieder eine Balance herzustellen, wäre es notwendig, dass das Publikum auch wirklich mit dem Geldbeutel zurück an den Tisch kommt. Oder, und das sage ich auch schon seit Jahren, den Selbstbetrug beendet und wirklich nachhaltig aufhört, die Güter zu konsumieren! Die Hersteller würden eingehen (ist in Ordnung, keine Nachfrage => kein Markt!) und die Trittbrettfahrer könnten sich auch nicht an den Gütern Dritter bereichern. Das wäre konsequent!

    Und wenn es Dir um den Mindestlohn eines Briefträgers geht, wäre auch der Gedanke an eine Mindestvergütung bei Nutzung in der Kreativwirtschaft gar nicht mal so weit weg von Deinem Mitgefühl. Wenn Du die Vorstellung, dass es auch in diesem Wirtschaftszweig um Menschen in prekären Situationen geht noch zulassen kannst.

  3. Cooler Text. Liest sich einfach und flüssig und fühlt sich dabei unglaublich gut an.

  4. Hammer gut geschrieben, danke! Gerade die piratigen Blogs finde ich sonst eher anstrengend.

  5. Das vorgehen der Polizei finde ich schon ein wenig merkwürdig. Man stürmt ein Haus zweier „Internet Verbrecher“ per Spezialkommando. Ernsthaft?

    Da hätten es fünf einfache Beamten auch getan. Da hätte man sogar Zeit gehabt abzuklären ob „die Jungs“ überhaupt zuhause sind.

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