Warum ich die AfD in Berlin nicht gewählt habe

Ich war heute in Berlin wählen. In den Medien wird die „Flüchtlingskrise“ diskutiert und die AfD steht bei über zehn Prozent. Das gab es schon einmal. 1989 zogen die rechtsextremen Republikaner mit 7,5 Prozent ins Berliner Abgeordnetenhaus ein. Mehr als eine Millionen Menschen sind in den 90ern nach Deutschland eingewandert. Der Bremer Senatsdirektor für Soziales sprach von einer „katastrophenartigen Situation„. Der Spiegel titelte: „Ansturm der Armen“. Drei Jahre später zündeten „besorgte Bürger“ Häuser in Mölln und Lichtenhagen an. Die politischen Turbulenzen der 90er sind so lange her, dass wir sie gerne vergessen. Ich kann das nicht, denn ich bin in dieser Zeit Deutsche geworden.

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1. Die AfD schafft Parallelgesellschaften

Das Problem mit der Integrationsdebatte ist, das diejenigen die am wenigsten Ahnung von der Materie haben derzeit die großen Reden schwingen. Ein Beispiel gefällig? Der AfD-Vorschlag, Massenunterkünfte nicht mehr in Wohngebieten anzusiedeln. Wie soll man sich in eine Gesellschaft integrieren, mit der man nicht in Berührung kommt, weil man nach „Janz weit draußen“ irgendwo ins Nirgendwo verfrachtet wird? In unserer ersten Sozialwohnung lebten nur polnische Familien – es bestand für mich daher keine Notwendigkeit Deutsch zu lernen. Eine neue Sprache und neue Freunde kamen erst mit dem Kindergarten. Darum wird das von der Berliner AfD geforderte Betreuungsgeld vielen Migrantenkindern schaden. Armen Familien wird ein Anreiz gegeben die Kinder daheim zu lassen. Für Migrantenkinder ist das dramatisch. Wer erst in der Grundschule in eine neue Sprachumgebung eintaucht, kann den Rückstand nur schwer nachholen. Fakt ist: Die AfD WILL Parallelgesellschaften schaffen und sie nicht abschaffen.

2. Die AfD verhindert Integration

Wie ist das eigentlich bei den Spätaussiedlern gelaufen, die heute als „vorbildlich integriert“ gelten? Nicht wenige polnische Akademiker bekamen kostenlose Intensiv-Sprachkurse beim renommierten Goethe-Institut – in Kleingruppen. Auf dem freien Markt kostet so etwas schnell mehrere Zehntausen Euro. Das war auch bitter nötig, denn so „deutsch“ waren die meisten nicht – viele sprachen bis auf „Guten Tag“, „Bitte“ und „Danke“ kein Wort Deutsch. Heute gelten wir polnischen Migranten als besonders vorbildlich integriert – geradezu unsichtbar. Und wie sieht das heute aus? Laut der Novelle des Asylpakets müssen Flüchtlinge für Massen-Sprachkurse jetzt einen Eigenanteil von 10 Euro im Monat zahlen. Ginge es nach der AfD, sollen Asylbewerber aus Bürgerkriegsländern nur noch Bildungsmaßnahmen bekommen, die ihnen bei der Rückkehr in ihre alte Heimat helfen. Deutschkurse dürften nicht dazu gehören. Die Wissenschaft hat heute klare Erkenntnisse drüber, welche Fehler bei der Integrationspolitik in den 60ern und 70ern gemacht wurden. Zu verleugnen, dass die neuen Mitbürger auf kürzere oder längere Zeit nun einmal ein Teil der Gesellschaft sind, gehört ganz oben auf die Liste. Doch einfache Lösungen verkaufen sich besser. Ginge es nach der AfD-Berlin, dürfe sogar Migrationsforschung nicht mehr „auf kosten anderer Fächer“ statt finden. Also am besten gar nicht.

3. Die AfD ist Brandbeschleuniger für soziale Spaltung

In den Anträgen und Reden der AfD-Fraktionen heißt es immer, das Geld, das derzeit für Flüchtlinge ausgegeben werde, würde den „Deutschen“ fehlen. Dabei ist die AfD wahrlich keine Partei, die sich für die Belange von Mittelstand und prekär Beschäftigten einsetztt. Die von der AfD geforderte Abschaffung der Mietpreisbremse in Berlin würde dazu beitragen, die schwächsten Gruppen unserer Gesellschaft auf dem überhitzen Wohnungsmarkt gegen einander auszuspielen. Wer den Mindestlohn ablehnt, wie die AfD-Berlin, ist wahrlich keine Partei „des kleinen Mannes“. Die AfD lenkt den Sozialneid eben nur geschickt weg von den oberen zehn Prozent, die sich über die AfD-Forderung nach der Abschaffung der Erbschaftsteuer freuen. Kein Wunder, dass bei der AfD die Spendengelder fließen – sie bedienen eben die Interessen der Reichen.

1989 – 2016: History repeats itself

Die meisten Menschen, die in den 90ern zu uns kamen, flohen nicht vor Bürgerkrieg. Sie flohen vor einem System im Umbruch. Was für den einen Spießertum ist, war für sie das Paradies. Arbeiten. Einen Bausparvertrag abschließen. Im Supermarkt Fleisch und Klopapier kaufen können. Die Kinder studieren schicken. Diejenigen, die in den 90ern als „Asylantenflut“ beschimpft wurden sind heute unsere Nachbarn, Freunde und Arbeitskollegen. Kein Hahn kräht heute mehr nach der „Katastrophe“ die wir angeblich verursacht haben. Im Gegenteil: Ohne die vielen jungen Familien die damals nach Deutschland kamen wäre das Rentensystem noch mehr in der Schieflage.

Wenn heute wieder Flüchtlingsheime brennen und Parlamentarier von „völkischen Idealen“ reden, denke ich daran wie meine Eltern damals in den 90ern vor dem Fernseher gesessen haben müssen mit Angst um ihr Leben und das ihrer Kinder. Die AfD kommt heute auf rund 20 000 Mitglieder – das ist weniger als die Republikaner in den 90ern hatten. Ich bin so vorbildlich integriert, dass ich „nie wieder“ denke, wenn ich AfD-Vorstand Alexander Gauland über den gebürtigen Berliner Jérôme Boateng lästern höre. Wir haben das schon einmal geschafft, denke ich mir. Wir schaffen das auch wieder. Rechte Parteien gehören nicht ins Berliner Abgeordnetenhaus.

Deshalb: LIEBE BERLINER: GEHT WÄHLEN. JEDE STIMME GEGEN DIE AFD IST EIN SCHRITT IN DIE RICHTIGE RICHTUNG. IHR SCHAFFT DAS.

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