Vorratsdatenspeicherung – Niedersachsen ist ganz vorne mit dabei

Der niedersächsische Justizminister Busemann (CDU) hat sich zu der Anhörung zur Petition zum EU-weiten Verbot der Vorratsdatenspeicherung geäußert: „Seit März 2010 hat Ministerin Leutheusser-Schnarrenberger den klaren Auftrag vom Bundesverfassungsgericht bekommen, die Vorratsdatenspeicherung neu zu regeln.“

Das Bundesverfassungsgericht hat 2010 festgestellt, dass die damalige Umsetzung nicht grundrechtskonform ist. Das Bundesverfassungsgericht hat *nicht* festgestellt, dass eine Vorratsdatenspeicherung notwendig sei. In dieser Hinsicht ist die Aussage Busemanns zumindest irreführend. Denn die Entscheidung, die Vorratsdatenspeicherung nicht wieder einzuführen ist eben auch eine Möglichkeit, mit dem Urteil völlig korrekt umzugehen. So gesehen hat die Justizministerin die Maßgaben des Bundesverfassungsgerichts vorbildlich umgesetzt: Sie hat keine grundrechtswidrige Umsetzung einer anlasslosen Überwachungsmaßnahme vorgenommen. Die Einführung einer Vorratsdatenspeicherung ist eben auch eine politische Entscheidung.

Dr. Max Stadler, Staatssekretär im Bundesministerium der Justiz, hat in der Anhörung vor dem Petitionsausschuss treffend angeführt, eine Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs in der Sache Vorratsdatenspeicherung steht noch aus. Dort ist noch ein Klage der Bürgerrechtsorganisation Digital Rights Ireland anhängig. Es muss noch geklärt werden, ob die Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung gegen europäische Grundrechte verstößt. Zudem könnte es durchaus passieren, dass eine der Verfassungsbeschwerden aus Österreich auch auf die EU-Ebene weitergeleitet wird. Doch Busemann ist nicht der einzige niedersächsische Unionspolitiker, der sich mit der Forderung der anlasslosen Vorratsdatenspeicherung aus der Deckung begibt.

Gemeinsam für Vorratsdatenspeicherung

Der Niedersächsische Innenminister Uwe Schünemann (CDU) ist seit 2003 im Amt. Zur Vorratsdatenspeicherung hat hat er eine klare Meinung, die er gerne auch öffentlich vertritt. Bereits 2011 haben Busemann und Schünemann gemeinsam dem Bund eine „Formulierungshilfe“ zur Wiedereinführung der Vorratsdatenspeicherung vorgelegt und die Justizministerin „eindringlich ermahnt.“ Beispielsweise hat Schünemann unter anderem wie folgt Stellung bezogen:

„Die Justizministerin schützt durch ihre ideologische Blockadehaltung Pädophile und Terroristen und wird damit selber zu einem Sicherheitsrisiko in unserem Land.“

Uwe Schünemann, Niedersächsischer Innenminister (CDU)

Unterstützung erfährt der niedersächsische Innenminister beispielsweise durch den leitenden Oberstaatsanwalt von Hannover Wendt und den niedersächsischen Justizminister Busemann. Diese forderten kürzlich, die Vorratsdatenspeicherung auch gegen Trickbetrüger einzusetzen. Dieser Vorstoß steht aber im krassen Gegensatz zum Urteil des Bundesverfassungsgerichts. Denn schwerste Straftaten sehen anders aus. Aber wo Daten sind, da entstehen Begehrlichkeiten. Wir erinnern uns: Vorratsdatenspeicherung sollte einmal ausschließlich gegen vermeintliche Terroristen eingesetzt werden. In Österreich wird übrigens derzeit der Einsatz der gerade eingeführten Vorratsdatenspeicherung gegen Urheberrechtsverletzungen diskutiert. In Großbritannien sollte sie laut einem Gesetzesentwurf auf angesurfte Seiten und deren URLs ausgeweitet werden.

Niedersachsen ist sich sicher

Ein Blick in die Polizeistatistik des Landes Niedersachsen zeigt jedoch, dass seit Stopp der Vorratsdatenspeicherung die Zahl der registrierten Internetdelikte massiv zurückgegangen ist: Um ganze 57% sanken diese im Jahr 2011. Um noch einmal zu verdeutlichen, über was für Größenordnungen wir hier reden: 2010 waren es ganze 609 Fälle, gegenüber 387 Fällen im Jahr 2011.

Auch die Aufklärungsquote zeichnet ein ganz anderes Bild der Situation in Niedersachsen. Die Aufklärungsquote bei Internetdelikten liegt mit 79% deutlich über der Aufklärungsquote der „analog“ begangenen Straftaten (61%). Die Verbreitung dokumentierten Kindesmissbrauchs wurde 2011 ohne Vorratsdatenspeicherung deutlich häufiger aufgeklärt (70%) als außerhalb des Internet begangene Straftaten.

Zuletzt ein letztes Zitat, diesmal von Michael Ebeling vom Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung: „Angstkampagnen und Panikmache der Innenpolitik nach dem Ende der Vorratsdatenspeicherung sind substanzlos, laufen allen Sacherkenntnissen zuwider und helfen in einer nüchternen Debatte nicht weiter.“



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