Wie sozial ist das Programm der AfD wirklich?

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Wie steht die Partei zu Mindestlohn und HartzIV? Und sollen die Steuern rauf oder runter? Hier die wichtigsten Fakten:

Mindestlohn als „neosozialistische Ideologie“

Die Parteichefin Frauke Petry lehnt den gesetzlichen Mindestlohn rigoros ab. „Wir sind gegen einen gesetzlich festgelegten allgemeinen Mindestlohn“, sagte sie der Thüringischen Landeszeitung. In einer Pressemitteilung zum Mindestlohn lästerte sie über die „neosozialistischen Ideologen der SPD“ und ihre „Sozialromantik“. Der gesetzliche Mindestlohn ist aus Sicht von Petry vor allem eines – ein „Jobkiller-Gesetz“. Mut zur Wahrheit heißt auch: Die AfD war noch nie die Partei des kleinen Mannes.

„Bürgerarbeit statt HartzIV“

Die AfD hat kein grundsätzliches Problem mit HartzIV. Allerdings vertritt sie die Position, Transferempfänger müssten sich „solidarisch zeigen, um die Belastung der Gemeinschaft so niedrig wie möglich zu halten“. Die AfD Sachsen-Anhalt will für Einwanderer (ein denkbar dehnbarer Begriff) die HartzIV beziehen Bürgerarbeit „ähnlich den sog. 1-€-Jobs“ verpflichtend machen. Baden-Württemberg soll nach Willen der AfD ein Pilotprojekt „Bürgerarbeit statt HartzIV“ für alle Langzeitarbeitslosen starten. Das Problem: So ein Projekt gab es schon einmal zwischen 2010 und 2014 als Ursula von der Leyen noch Arbeitsministerin war. Das Ergebnis war ernüchternd: Nur ein Bruchteil landete nach der Maßnahme in sozialversicherungspflichtigen Jobs. Öffentlich ließ sich das Projekt gut verkaufen. Finanziell war es ein einziges Desaster. Und gerade gering qualifizierte Langzeitarbeitslose fielen durchs Raster und wurden oft gar nicht erst vermittelt. Der DGB kommt zu dem Urteil:

„Für die Wohlfahrtsverbände rechnet sich „Bürgerarbeit“ dann, wenn es sich um einigermaßen qualifizierte und vor allem motivierte Arbeitskräfte handelt. „Bürgerarbeit hört sich zunächst freundlich an, es klingt nach freiwilligem Engagement, „Bürger tun etwas für andere Bürger“. Doch der Übergang zur „Arbeitspflicht“ ist fließend, je nach Ausgestaltung und gesetzlichen Rahmenbedingungen.“

 Kennen Sie noch Paul Kirchhof?

Steuern rauf oder runter? Hier ruft die AfD zu einem radikalen Kahlschlag auf – zu Gunsten hoher Einkommen. „Unser Konzept ist angelehnt an die Ideen von Paul Kirchhof“, so Frauke Petry im Interview. Und auch im Programm der Bundes-AfD bezieht man sich auf ihn. Das Steuermodell von Paul Kirchhof sieht vor, die heutige progressive Besteuerung von Einkommen zugunsten einer „Flat Tax“ abzuschaffen. Alle Einkommen sollen pauschal mit ca.25 Prozent besteuert werden. Statt eines Spitzensteuersatzes von 45 Prozent würde bei einem Multimillionär dann der selbe Steuersatz angesetzt werden wie beim Durchschnitts-Arbeitnehmer. Es leuchtet ein, dass ein solches Steuermodell hohe Einkommen überproportional bevorzugt. Zum Gesamtkonzept passt es allemal: Die Erbschaftssteuer will die AfD übrigens ganz abschaffen – wovon auch wieder jene mit viel Besitz profitieren. Im Wahlprogramm für Rheinland-Pfalz heißt es gar, dass die „Ablehnung von Elitenförderung“ Weiterentwicklung behindere.

Vertrauen auf die unsichtbare Hand

Das Gegenmodell ist schnell erklärt: Im Weltbild der AfD wird ein starker Staat vor allem als Last gesehen. Der Glaube an die heilende „unsichtbare Hand“ des Marktes hat dort alle Wirtschaftskrisen der letzten Jahre unbeschadet überdauert. Die AfD Sachsen-Anhalt stellt fest: „Die Wirtschaftsverbände haben ein natürliches Interesse an einem großen Arbeitskräfteangebot. Jede Arbeitsmarktpolitik dagegen kann nur das Ziel verfolgen, die Arbeitslosenquote zu verringern, was aber die Auswahl für personalsuchende Unternehmen schmälert.“

Als Wettbewerbsverzerrung betrachtet sie daher vor allem Programme zur Erleichterung des Einstiegs oder Wiedereinstiegs in das Berufsleben.

Aber auch anderweitig will die AfD Sachsen-Anhalt Hand anlegen. „In Bereichen, in denen die Privatwirtschaft tätig ist, soll der Staat nicht durch sein Handeln eine steuerfinanzierte Wettbewerbssituation aufbauen.“  Quelle: Wahlprogramm. Angesichts von einem breiten Angebot privat finanzierter Schwimmbäder, Krankenhäuser, Altenheime und Privatschulen ist so ein radikales Statement keineswegs trivial.

Fazit: Tu es nicht! (Updated)

Lang ist es her, als Ex-Parteichef Bernd Lucke im Bundestagswahlkampf arbeitssuchende Menschen als „sozialen Bodensatz“ verunglimpfte. Trotz anschließender Distanzierungen war dieses Statement bezeichnend für die Sozialpolitik der AfD. Damals, wie heute. Sie hetzen nicht nur gegen Migranten, Muslime, Schwule und Lesben sondern auch gegen finanziell Schwache.

Es gibt gute Gründe Angst zu haben. Die Globalisierung macht uns zum Spielball der Launen der Weltwirtschaft. Konzerne spielen beim Feilschen um niedrige Steuern Regierungen gegen einander aus. Während die einen horrende Gewinne einfahren wird uns seit Jahrzehnten gepredigt wir sollten bei Lohnforderungen nicht so „gierig“ sein. Fakt ist: Die AfD bedient begründete Ängste vor sozialem Abstieg. Doch sie wird unsere Probleme nicht lösen – sondern verschärfen.

Es gibt gute Gründe wütend zu sein. Wir alle haben die letzten Bankenkrisen erlebt. Wir haben gesehen wie mit unserem Steuergeld die Zocker freigekauft wurden. Die Gewinne der Banken werden privatisiert – die Verluste trägt die Allgemeinheit. Auch ich bin wütend. Deshalb ist es wichtig sich klar zu machen: Die AfD wird an den Ursachen ganz sicher nichts ändern.

Es gibt gute Gründe sich zu empören. Weil die Schere zwischen Arm und Reich immer weiter aus einander geht. Weil Reallöhne stagnieren. Weil die Zukunft Europas alles andere als rosig aussieht. Und an die Rente glaube ich längst nicht mehr. Empören? Ja, unbedingt! Die Frage ist nur gegen wen. ….Flüchtlinge? Echt jetzt?

Fazit: Die AfD betreibt vor allem Klientelpolitik gegen die Interessen normaler und gering verdienender Arbeitnehmer. Wie sozial das ist? Diese Frage kann sich jeder selbst beantworten.

Update: Im Neuen Deutschland bezieht sich ein Artikel auf diese Analyse und führt sie weiter


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