Parteienfinanzierung: Arm aber sexy

2010 spendet mit der Substantia AG ein Hotel-Unternehmer insgesamt 1,1 Mio. Euro an die FDP. Das war auch das Jahr in dem die FDP sich zu der Steuererleichterung für Hotels entschloss. Parteispenden, die im Einzelfall 50.000 Euro übersteigen, müssen dem Bundestagspräsidenten gemeldet werden. Dieses Jahr war der Großspendensegen mit 1,31 Mio. Euro vergleichsweise mau (2009 6,45 Mio.). Doch Großspenden sind nur ein Stückchen vom Kuchen.

Es gibt viele Umwege, wie Großspender ihre Zahlungen verschleiern können, um nicht unter diese Regelung zu fallen. Ein Staffelung der Großspende in Einzelspenden ist eine Strategie. Im Dezember und im Januar 49.999 Euro überweisen ist eine weiterer Möglichkeit und sonst kann man sich ja noch einen „Sponsoren-Stand“ bei einem Bundesparteitag besorgen, die der SPD 2010 fast 500.000 Euro an nicht anzeigepflichtigen „Einnahmen“ brachten. Die frischen Zahlen zu den 2012 getätigten Großspenden sind Anlass genug, sich mit dem Thema Parteienfinanzierung zu befassen. Und wenn man ein wenig weiter zurückschaut, sieht man Muster. (Bild: „Sponsoren“ des Bundesparteitags der FDP 2009; Quelle: LobbyControl)

Die Unternehmensbilanz

Die etablierten Parteien verfügen über ein Budget, wie ein Unternehmen. Die CDU arbeitete 2010 mit einem Budget von 138 Mio., die CSU mit fast 35 Mio., die SPD hatte 147 Mio. in der Kasse, die FDP 34 Mio., die Grünen 31 Mio. und die LINKE 27 Mio. Euro. Alles aus Spenden, staatlicher Unterstützung, Mitgliedsbeiträgen und – sonstigen Einnahmen. Grund genug sich einmal „sonstige Einnahmen“ anzuschauen.

(Quelle: http://taz.de/Parteispenden-Watch/!t200/#parteispenden-karte)

Die Sponsoren, die nichts spenden

Bei Großveranstaltungen wie Parteitagen können Sponsoren Ausstellungsflächen mieten und sich den begehrten Delegierten präsentieren. Für die Parteien ist besonders interessant, dass „Sponsoring“ durch das Parteiengesetz nicht weiter geregelt ist und nicht unter die Veröffentlichungspflicht von sonstigen Spenden fällt. Wer also nicht als Großspender genannt werden möchte, kann einfach einen richtig großen Stand „mieten“ und das Geld auf das Parteikonto überweisen.

LobbyControl bloggte über den Bundesparteitag der FDP 2009:

„Über 60 Unternehmen und Verbände waren mit Werbeständen und Lobby-Personal vor Ort. Sie reihten sich an Gängen auf, die so klingen als hätten die Organisatoren zu lange Monopoly gespielt: E.on, die Agentur für Erneuerbare Energien, Audi, TÜV, UPS und das Deutsche Atomforum wurden an der “Großen Freiheit” angesiedelt; der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft GDV, RWE, der Verband der Privaten Krankenversicherungen PKV, Bertelsmann an der “Mehr Netto Allee”, Bayer AG, Bahn, Vattenfall, EnBW, der Rüstungskonzern EADS, der Pharmalobby-Verband Vfa, Vodafone waren am “Liberalen Wirtschaftsweg” zu finden. Der Stand des größten Platzhirschen Audi (“Wechselweg” Ecke “Große Freiheit”) umfasste mehr Quadratmeter als die Stände der FDP-Abgeordneten (MdBs) und der FDP-Fraktion zusammen. An den Ständen gab es passende Werbegeschenke und kleine Snacks – Fruchtsaft bei den Krankenkassen, Äpfel bei den Apotheken…“

Die SPD hat bei dem Bundesparteitag 2011 nach eigenen Angaben rund 480 000 Euro mit „Sponsoring“ (am Parteiengesetz vorbei getätigte Spenden) erwirtschaftet. Über den Bundesparteitag der SPD 2009 berichtet LobbyControl mit gewissen „Zusatzdienstleistungen“ die große Standbetreiber von der Parteispitze bekommen:

„Ein Rundgang der Parteichefs zwischen den Ständen war auch hier selbstverständlich, und die Fototermine galten vornehmlich den großen Ausstellern. Auch hier ist unbekannt, ob es dazu Absprachen gab – offiziell konnte man unter “weitere Serviceleistungen” lediglich Schnittblumen oder eine Grünpflanze für seinen Stand bei dem mit der Organisation beauftragten Messe-Dienstleister DesignBerlin ordern. Dafür ist aber das Infoheft zum Parteitag, das mit der Tagungsmappe verteilt wurde, mit Werbeanzeigen gepflastert: 26 von 107 Seiten sind mit Anzeigen gefüllt. Vom Bundesparteitag der SPD 2007 in Hamburg wird uns berichtet, dass es eine nur für Journalisten, Delegierte und deren Gäste zugängliche Presse-Lounge gab, die den Namen eines Ausstellers trug, der dort auch kostenloses Mittagessen auftischte.“

Dass das mit Problemen behaftet ist, dessen ist man sich zumindest bei der SPD theoretisch bewusst, sieht sich aber nicht in der Pflicht etwas zu ändern:

„Wie so häufig, hatte die alle Parteien unter Generalverdacht stellende Berichterstattung zur Folge, dass eine Änderung des Parteiengesetzes gefordert wurde. Sinnvolle Änderungen, die das Maß an Transparenz erhöhen, z. B. die Veröffentlichungspflicht ab einer bestimmten finanziellen Höhe, würden wir als SPD unterstützen. Voraussetzung wäre, dass eine solche Änderung von einer gemeinsamen Initiative aller im Bundestag vertretenen Parteien getragen würde.“

Auch die Grünen bedanken sich brav bei ihren Ausstellern und Sponsoren. Eine gemeinsame Initiative aller im Bundestag vertretenen Parteien ist – höchst unwahrscheinlich, nahezu utopisch, denn von der derzeitigen Lücke im System profitieren alle. Einige geben sogar an, es gehöre bereits zum „Erscheinungsbild“ von Bundesparteitagen, dass Sponsoren einen Gratiskaffee oder Gratiszigaretten ausgeben. Eine einfache Mehrheit scheint den Sozialdemokraten nicht zu reichen, wenn es um Einschnitte in die eigenen Bezüge geht. Die Piraten haben Stände bei Bundesparteitagen grundsätzlich verboten. Auch wenn davon nette NGOs wie der FoeBuD e.V. betroffen waren, da sich bisher kein Unternehmen bei den Piraten hat blicken lassen. Es geht ums Prinzip.

Die Parteien und die Presse

Im Finanzbericht 2009/2010 der SPD findet sich folgende anschauliche Grafik die die Beteiligungen der SPD visualisiert. Bei dem Kapitel zu Besitz und Beteiligungen wird das Ergebnis der Deutsche Druck- und Verlagsgesellschaft mbH vermeldet:

Mit ihren Ausschüttungen an die SPD als Gesellschafterin in Höhe von jeweils 7,7 Mio. Euro (Liquiditätszufluss bei der SPD nach Steuern: 6,5 Mio. Euro) konnte die ddvg wie in den Vorjahren ihren Beitrag für eine solide Finanzstruktur der SPD leisten.“

(Quelle: Screenshot Finanzbericht 2009/2010 der SPD)

Die Aufgabe der Presse ist es, den Parteien auf die Finger zu schauen und Misswirtschaft, Korruption und Wortbruch aufzudecken und öffentlich zu machen. Die SPD sieht keinen Widerspruch zwischen Pressefreiheit und Beteiligungen an Medienunternehmen. Es wir sogar so dargestellt, als sei dies ein Beitrag zur Sicherung der Meinungsvielfalt. Vorauseilender Gehorsam, der sich durch eine finanzielle Beteiligung von Parteien an einen Medienkonzern ergeben könnte, wird ausgeschlossen. Mechanismen, um dies zu verhindern existieren jedoch nicht.

Redakteure und Journalisten kommen durch derartige Unternehmenskonstrukte womöglich in eine unangenehme Situation angesichts klammer Kassen in den Redaktionen. Welcher Chef vom Dienst will schon die Anteilseigner des Medienkonzerns gegen sich aufbringen, wenn überall Kürzungen und Spartenschließungen anstehen? Wer kann ausschließen, dass bei Personalentscheidungen die Parteifarbe keine Rolle spielt? Selbst wenn die SPD versichert, dass das nicht vorkommt – die Ängste sind nicht aus der Luft gegriffen. Und auch die Grünen geben in der Frage SPD-Beteiligungen an, es sei alles in Ordnung:

„Dass die Medienbeteiligung transparent dargestellt wird, das ist auch ein Ergebnis der rot-grünen Parteiengesetzreform 2002. Insofern ist auch hier der richtige Weg die Transparenz und nicht das Verbot von Beteiligungen.“

Mit der Transparenz ist das so eine Sache, denn ich gehe davon aus, dass 90% der Leser über eine derartige Beteiligung nicht informiert sind, da sie im Kleingedruckten versteckt ist. Nicht jeder liest den Finanzbericht der SPD. Die Piraten Niedersachsen fordern, dass Politiker in steuerfinanzierten Rundfunkräten nichts zu suchen haben. Ich meine, Parteien haben auch nichts in Aufsichtsräten von Zeitungen und Radio verloren. Wer meint, durch Beteiligungen anstatt durch vernünftige gesetzliche Rahmenbedingungen für alle, die Medienvielfalt zu erhalten, schafft nur neue lokale Monopole. Man sollte von Seiten der Politik kleinen Zeitungen lieber dabei helfen auf eigenen Beinen zu stehen als sich bei ihnen einzukaufen.

Der Gesetzgeber, der sich selbst Gesetze geben soll

Transparency International fordert schärfere Gesetze für die Veröffentlichung von Parteienfinanzierung. In Großbritannien werden während Wahlkämpfen Spenden wöchentlich veröffentlicht, ansonsten vierteljährlich, die Meldegrenze ist mit 1.000 Pfund deutlich niedriger als in Deutschland.Transparency fordert für Deutschland eine Meldepflicht ab 2000 Euro – und eine Obergrenze für Spenden bei 50.000 Euro. Ein neutraleres Gremium soll der Politik auf die Finger schauen.

Wenn Politiker sich selbst kontrollieren sollen, ist es mit der Transparenz sehr schnell nicht weit her. Es ist ein Trauerspiel, dass wir immer noch kein Gesetz haben, dass Korruption wirkungsvoll bekämpft, Nebeneinkünfte werden noch immer nicht offen gelegt, Sponsoren werden nicht als Spender behandelt, der Bundestagspräsident (Parteimitglied) überwacht seine eigene Partei in Sachen Großspenden. Nicht wenigen Lokalzeitungen, die über Steinbrück-Vorträge bei den Stadtwerken Bochum hätten kritisch recherchieren könnten, haben SPD-Vertreter im Aufsichtsrat sitzen. Ich kann gar nicht in Worte fassen, wie absurd ich das finde. Ein Armutszeugnis: Die Korruptionspolitik der Parteien ist ein hausgemachtes Problem. Da braucht man nur in die eigene Bilanz zu schauen.

(Ich bleibe lieber arm.)

Natürlich gibt es zahlreiche Umwege, wie Großspender ihre Zahlungen verschleiern können um nicht unter diese Regelung zu fallen. Ein Staffelung der Großspende in Einzelspenden ist eine der bekannten Strategien.

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Ein Kommentar

  1. Sehr schön zusammengefasst. Eigentlich sollte sich die Piratenpartei, LobbyControl und Transparency International zusammentun und eine schlagkräftige Kampagne starten.

    Gruß,
    Forenwanderer

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