Ich habe nichts gegen den Islam, aber…

Es ist zum Kotzen. Kaum ist man aufgestanden, geht die Leier wieder weiter. Radio an: Islam-Debatte. Im Fernsehen die passende Talkrunde. Und in der Zeitung… dreimal dürft ihr raten: Islam. Ich muss sagen: Langsam ist meine Toleranz-Grenze überschritten. Ich habe nichts gegen den Islam, aber…

Der Islam hat Null, also wirklich Zero mit meinem Leben zu tun. Dabei gibt es in meiner Stadt wahrscheinlich mehr Moscheen als in ganz Bayern. Und mehr Muslime als in ganz Ostdeutschland. Ich bemühe mich ja, versuche wirklich aufmerksam zu sein. Um zu verstehen, warum wir in epischer Breite über den Islam diskutieren müssen. Das Problem: Es will einfach nicht in meinen Kopf rein. Es interessiert mich auch nicht.

Und dann erst diese Diskussionen um Moscheen. Als hätten wir keine anderen Probleme in diesem Land. In Münster habe ich mal neben einer Kirche gewohnt. Das Gebimmel hat mich wirklich genervt. Leider gibt es in ganz Münster keinen Ort der *nicht* neben einer Kirche liegt. Daher habe ich mich arrangiert. Man kann ja die Musik lauter drehen. Sogar an den jährlichen „Marsch der 1000 Kreuze“ der Abtreibungsgegner aus dem Fundi-Christen-Lager habe ich mich gewöhnt. Aber habe ich meine Tage damit verbracht, mich über crazy religiöse Splitter-Sekten den ganzen Tag auszulassen? Nein! Warum? Weil man schon aus Entfernung sieht was für ein trauriger Looser-Haufen das für gewöhnlich ist. 90% der Christen schämen sich für die. Sie sind nicht relevant. Und wurde daraus eine Christen-Debatte? Nein. Warum reden wir jetzt nochmal über den „Islam an sich“??

Wobei: Ich finde es ja eigentlich gut, wenn Leute das Thema Religion und Staat auf die Agenda setzen. Aber meinen die das ernst? Trennung von Kirche und Staat wird hier ja seit Generationen total groß geschrieben. Deshalb wird die Kirchensteuer über den Staat direkt eingezogen. Schulen, Kindergärten und Krankenhäuser unter kirchlicher Trägerschaft bekommen dicke Steuervergünstigungen. Und die Kirche tätigt auch so manches Wunder: Ich musste sagenhafte 25 Euro beim Kirchenaustritt zahlen, obwohl ich bei der Taufe nicht im geschäftsfähigen Alter war. Woanders nennt man das eine klassische Abo-Falle. Islam? Ehrlich? Darüber müssen wir reden?

Obwohl – Die meisten gläubigen Leute die ich kenne, sind eigentlich ganz ok. Eine Freundin von mir hat sich nur aus beruflichen Gründen bekehren lassen. Passiert bei Jobs wie: Lehrer, Krankenschwester, Pfleger, Kindergärtner, Erzieher, … Islam? Nein, Deutschland. Das kirchliche Arbeitsrecht erlaubt, geschiedene Kindergärtner mit neuem Partner zu kündigen. Von kirchlichen Sonderregeln sind in Deutschland hunderttausende Angestellte betroffen – aber hey, lass uns lieber über den Islam reden!

Ehrlich: Der Islam ist mir total egal. Mindestens so egal wie alle anderen Religionen. Meinentwegen können die Leute das Spaghetti-Monster anbeten. Oder Daniela Katzenberger –  so lange sie mich damit in Ruhe lassen.

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Nicht egal sind mir übrigens folgende Themen: Rente, Wirtschaftskrise, Sozialstaat, Pflegenotstand, Bildung, Rassismus, Fracking, Atomkraft, Gorleben, Krebs, TTIP, Feinstaubbelastung, Fahrradwege, Kohlekraft, NSU, Datenschutz, Steuerflucht, Korruption, Pressefreiheit, CETA, Nebeneinkünfte von Politikern, Krieg, Kita-Plätze, V-Männer, unbezahlte Praktika, Zweiklassen-Medizin, die NSA, Waffenexporte, Steuerschlupflöcher, Staatsverschuldung, Direkte Demokratie, TISA, PKW-Maut … soll ich weiter aufzählen oder versteht man ungefähr, worauf ich hinaus will?

Ist ja schön und gut, wenn die AfD meint sich Probleme ausdenken zu müssen weil sie auf die eigentlich wichtigen Fragen keine Antworten hat. Aber kann sich der Rest bitte endlich wieder mit der Realität beschäftigen? Diese Islam-Debatte nervt gewaltig.

Danke!


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13 Kommentare

  1. Das traurige ist, dass auch viele andere Parteien die wirklichen Probleme nicht angehen oder wie etwa beim Lärm nicht mal richtig erkennen-

  2. Alles was in den Medien durch den Fleischwolf gedreht wird nervt irgendwann, das ist klar. Über gewisse Dinge sollte man sich trotzdem umfassend Informieren. So wie Atomkraft zum Beispiel oder CO2-Emission. Die Dinge die dir nicht egal sind haben leider genau so viel mit dem Islam zu tun, wie sie mit Politik zu tun haben.
    Dazu passend ein paar Einblicke aus dem „Faktencheck“ von gestern:
    rolandtichy.de/kolumnen/spahns-spitzwege/der-faktencheck-zum-faktencheck-die-spd-wird-zur-scharia-partei/

  3. @Sebastian Klein
    Diese Sozialsteuer wäre überhaupt nicht nötig, wenn der Staat das Geld, das er in kirchliche Einrichtungen buttert, einfach ohne Umwege über die Kirche direkt in Schulen, Kindergärten und Krankenhäuser stecken würde. Fakt ist nämlich, dass all diese kirchlichen Einrichtungen sowieso schon zu weit über 90% vom Staat finanziert werden. Da pappt außen oft nur noch das Label Kirche drauf, die Finanzen kommen aber in Wirklichkeit vom Staat, bei den Krankenhäusern sogar zu 100% von außerhalb, sprich den Patienten und Krankenkassen. Umgekehrt gehen nur ca. 5-7% der Kirchensteuern in soziale Aufgaben. Der Rest sind Pfarrergehälter, Verwaltung, insbesondere der Immobilien, einfach laufende Ausgaben. Die Renovierung von Gotteshäusern lassen sich die Kirchen ja auch noch oft genug vom Staat bezahlen, das hat aber angesichts von Denkmalschutz und Erhaltung von Kulturgut seine gewisse Berechtigung. Selbst bei Kirchentagen zahlt die Kirche meist nur 10% der Kosten, der Rest wird von Bund, Land und der gastgebenden Stadt bezuschusst. Kurz, mit anderen Worten: Die haben es einfach drauf, sich ihre Wohltätigkeit von anderen bezahlen zu lassen, und alle lassen es sich gefallen.

    Es gibt nur ein paar Gründe, warum der Staat die sozialen Aufgaben nicht selbst übernimmt. Zum einen wollen es sich die Parteien nicht mit den Kirchen verderben, zumal die meisten maßgeblichen Politiker ja auch einer Kirche angehören. Zum anderen machen es die Kirchen immer noch ein wenig billiger, als wenn es der Staat selbst übernehmen müsste, was vor allem daran liegt, dass die Kirchen einen gesonderten Kirchentarifvertrag haben, sprich ihre Angestellten schlechter bezahlen als auf vergleichbaren Stellen im öffentlichen Dienst. Und außerdem lagert man so einen Teil der Staatsquote aus und versteckt ihn damit.

  4. Das ganze Kirchenrecht ist eine Farce. Du nennst die Beispiele ja schon: Kein Job ohne Taufe,Jobverlust bei Scheidung. In welchem Jahrhundert leben wir, dass wir so etwas zulassen?

    Mein Ansatz zur Problemlösung wäre daher auch entsprechend radikal: Umdeklaration der Kirchensteuer in eine Sozialsteuer. Davon werden dann Schulen, Kindergärten, Krankenhäuser (…) staatlich finanziert, ohne Umweg über die Kirche, die sich dann den Großteil für goldene Trinkkelche abzweigt. Gleichzeitig wird man dann das die menschenfeindlichen Sonderkonditionen der Kirche im Arbeitsrecht etc los. Und so Scherze wie das Krankenhäuser vergewaltigte Frauen abweisen, wenn die nach der Pille danach fragen, kommen dann auch nicht mehr zu. Dann müssen die Kirchen bei ihren Messen halt Eintritt verlangen – mit ein bißchen Glück dämmt das die Verbreitung einer rückwärtigen Lehre noch weiter ein.

    Das wäre dann die Win-Win-Win-Situation.

  5. Du musst weder fernsehen, noch Radio hören noch Zeitung lesen. Wenn es dich nervt, warum tust du es dir an?

  6. In Teilen kann ich Dir Recht geben. Die Privilegien der Kirchen sind geradezu krakenhaft. Da gehören einige abgeschafft, vor allem das Kirchensonderarbeitsrecht mit dazugehöriger Zwangskonfessionalisierung, wenn man im sozialen Bereich arbeiten will. Und dass es viele Gebiete vor allem im ländlichen Raum gibt, in denen die Kirche ein Monopol auf die Kitas hat und damit auf die Köpfe der Kinder. Und dass Bischöfe, Theologieprofessoren, Religionslehrer und Militärgeistliche vom Staat bezahlt werden. Und die Kirchensteuern und sonstige haufenweise finanzielle Vergünstigungen. All das gehört abgeschafft.

    Aber die Lösung kann doch dann nicht im Ernst sein, dass man dem Islam als Ausgleich genau dieselben Privilegien hinterher wirft.

    Allerdings:
    Selbstverständlich muss man darüber reden, dass nach Umfragen 40% der Muslime körperliche Bestrafungen für Frauen bei außerehelichem Geschlechtsverkehr befürworten.
    Selbstverständlich muss man darüber reden, wenn bei uns aus vorauseilendem Gehorsam Aktbilder in Rathäusern abgehängt werden und Schweinefleisch in Kita-Kantinen nicht mehr angeboten wird. Die Freiheit verschwindet nie auf einen Schlag, sondern immer scheibchenweise.

    Ich habe was gegen den Islam, wie gegen jede andere Religion, die ihre Regeln anderen aufdrängen will. Das schließt nicht aus, dass 99,9% der Anhänger völlig friedliche Leute sind.

  7. Ergänzung:
    „Die Freiheit, so zu leben, wie wir wollen, und das auch öffentlich, ohne Geheimhaltung, ist ein Privileg, das wir uns in Deutschland hart erkämpft haben.“

    Da stimme ich dir, Siegfried voll und ganz zu!
    Das nennt sich jedoch „Meinungsfreiheit“ oder gröber gefasst „Freiheitsrechte“ und hat mit deiner (gewollt?) falschen Definition von Säkularismus nichts zu tun.

  8. @ Siegried: Atheismus ist die Abwesenheit von Glauben und eben nicht „nur ein anderer“ Glaube.
    Ich gehe davon aus, dass es keinen Gott gibt. Daran brauche ich nicht zu glauben, da es keine unbelegte Behauptung ist, sondern eine Nullhypothese, die es zu widerlegen gilt.

    Daher mein Vergleich mit dem Fernseher:
    Atheismus = Abgeschatet
    Theismus = Eingeschaltet
    Und dann ist egal, welches Programm läuft oder wie laut oder wie hell der TV eingestellt ist.

    Der Rest der Argumentation … Naja.
    Keine (christliche) Folklore ohne (christlichen) Glauben, oder?

  9. @Anderer Max: Wenn Du hier Deine Meinung in dieser Art kundtust („Zombie-Jesus“ in DE, „Endlich-wieder-Essen-dürfen“ in arabischen Ländern), dann übst Du Deine Religion (Atheismus) öffentlich aus. In einem säkularen Land hast Du das Recht dazu. In eben diesem säkularen Land habe ich genauso das Recht, meine Religion öffentlich auszuüben. Wir haben Beide das Recht dazu, solange wir nicht gegen Gesetze verstoßen. Beten im öffentlichen Raum muss der Staat respektieren, so lange z.B. dadurch nicht der Verkehr behindert wird. Beten auf der Autobahn muss der Staat nicht tolerieren. Beim Aspekt Ruhestörung gelten die gleichen Regeln wie z.B. bei Motorengeräuschen, lauter Musik oder Fernseher oder laut spielende Kinder: In gewissen Grenzen ist das zu tolerieren. Dafür gibt es in Deutschland bis ins Kleinste ausgearbeitete Gesetze. Der Anblick eines Betenden darf Dich genausowenig stören wie der Anblick eines pinkfarbenen BMWs oder der Anblick eines grünen Irokesenkamms. Die Freiheit, so zu leben, wie wir wollen, und das auch öffentlich, ohne Geheimhaltung, ist ein Privileg, das wir uns in Deutschland hart erkämpft haben.

    Glockengeläute hat übrigens weniger mit Religion sondern mehr mit Folklore zu tun. Obwohl natürlich diese Folklore für den Einen oder Anderen auch eine Art Religion sein kann.

  10. @ Siegfried: Als Einwohner eines säkularen Landes erwarte ich von Jedem die Ausübung seiner Religion im Privaten.

    Ein Fernseher, der ausgeschaltet ist, kann einfach niemals so laut / hell / nervig sein, wie ein eingeschalteter Fernseher, egal welches Programm gerade läuft.

    Und ja, ich gehöre sogar zu der Sorte Mensch, die sagen:
    Ich verzichte gerne auf die Feiertage („Zombie-Jesus“ in DE, „Endlich-wieder-Essen-dürfen“ in arabischen Ländern), wenn dafür die Privilegien der Religion innerhalb des Staates abgeschafft werden.
    Und das geht beim maximalinvasiven Glockengeläute (Ruhestörung) los.

    Klar, an Privillegien gewöhnt man sich schnell.
    Deren Aberkennung ist aber keine Diffamierung („Niedermachen“), sondern eine Liberalisierung.

  11. Stimmt weitgehend. Gut, ganz problemlos ist das mit der Religion in D nicht. Ich werde als Christ schon gelegentlich ziemlich niedergemacht. Religion scheint etwas zu sein, das man nur im stillen Kämmerlein ausüben darf, wenn’s Keiner sieht. Neutralität gegenüber den Religionen sieht anders aus. Dennoch: Das ist im Vergleich mit den von Dir genannten sonstigen Problemen in der Tat eher ein Randphänomen.

    Was aber ein echtes und großes Problem ist, das ist, dass die AfD den Islam und die Moslems nach und nach zu einem echten Problem macht. Ein Problem kann durchaus herbeigeredet werden, und irgendwann ist es dan tatsächlich ein echtes Problem.

  12. Super Kommentar! Sehe ich genauso. Europa und Deutschland haben mehr (selbstverschuldete) Probleme, dass man wahrscheinlich mehrere Legislaturperioden brauchen wird, diese anzugehen. Wenn sie nicht geloest werden (europäische Wirtschaftskrise vor allem), dann geht es mit Deutschland irgendwann mal schlagartig bergab. Und wir reden hier ueber den Islam oder ein paar Zuwanderer – vollkommen Boogie! Was nicht boogie ist, ist dass wir in Europa derzeit kein echtes Wirtschaftswachstum haben, dass wir in Europa trotz massiv expansiver Geldpolitik Deflation haben, dass wir in Deutschland massiv von der Substanz leben und dringend notwendige Investitionen aus persoenlicher Eitelkeit (Schwarze Null) verweigern, dass wir um Europa herum ein Schlachtfeld nach dem anderen mitaufmachen und uns keinen Millimeter bewegen, wenn es darumgeht, diese wieder zu schliessen. Die europaeischen Regierungen, insbesondere die deutsche, versagen gerade auf ganzer Linie, aber wir reden lieber über Banalitäten wie den Islam oder ein bischen Zuwanderung.

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