Die Folgen des Klimawandels sind nicht gleich verteilt

Wenn wir über Klimaschutz reden wird häufig mit Solidarität und Gemeinschaft argumentiert. „There is no Planet B“, malen wir auf unsere Plakate und appellieren an das Gewissen von Menschen, die zwar in ganz anderen ökonomischen Sphären zu leben scheinen, aber am Ende doch auch Menschen aus Fleisch und Blut sind. Auch sie haben Kinder, die auf diesen Planeten atmen können müssen. Kinder, die einer Zukunftsperspektive bedürfen. Eigentlich müsste es nur eine Frage der Zeit sein, bis sich die Einsicht durchsetzt, dass es im Interesse aller Erdenbürger wäre, beim Klimaschutz Nägel mit Köpfen zu machen. Eigentlich. Denn ich glaube ja eher, das ist ein kolossaler Irrtum.

Smog-Masken auf Instagram

Wer verstehen will, was an der ganzen Klimadebatte eigentlich falsch läuft sollte sich einmal auf Instagram Influencer anschauen. Kein Scherz. Ich meine das absolut ernst. Eine halbe Stunde Recherche im nicht-europäischen Ausland, und Zack hat man gleich eine ganz andere Haltung zur Feinstaubdebatte. Influencer aus Peking, Moskau oder Mumbai tragen nicht selten Anti-Smog-Masken. Auf Instagram sieht man sie in tausenden Variationen: Anime-Style, Glitzer, Military-Look oder ganz klassisch in Krankenhaus-Weiß. Auf mich wirken Werbe-Bilder einer glücklichen Familie mit Atemmasken einfach nur befremdlich. Wie aus einem Endzeit-Science-Fiction-Blockbuster. Aber Fakt ist: Für Millionen Menschen ist die Frage „Welche Maske ziehe ich heute an“ tatsächlich Alltag. Der Sonnenaufgang kämpft sich dort durch einen feinen Nebel aus Smog.

In einigen Ländern sieht auch die Wettervorhersage längst ganz anders aus. Neben Daten zu Sonne, Wind und Regen werden ganz selbstverständlich Kennzahlen für Luftverschmutzung und Ozonwerte vorgelesen. Während ich diesen Beitrag schreibe wird etwa die Luft in der chinesischen Provinz Shenzhen als eher „ungesund“ bewertet. Wobei das im Vergleich noch ein guter Tag zu sein scheint, denn der Rest der Woche ist nicht „nur“ orange, sonder in sattem Rot eingefärbt. Das wären also eher die Tage, an denen man die auf Instagram ausgiebig beworbenen High-End Smog-Masken anlegen sollte. Oder den Luftfilter der Wohnung anschmeißt. Und im Auto sowieso. Das Problem ist nur: So etwas können sich natürlich nicht alle leisten. Der Smog betrifft zwar alle Bürger der Stadt. Einige trifft es aber deutlich weniger heftig.

Die Oberschicht atmet nicht einmal die selbe Luft

Ein Freund hat einmal längere Zeit in einer chinesischen Großstadt gearbeitet. Er sagt: „Wer seine Lungen so richtig ****** will braucht einfach nur jeden Morgen einmal durch den Park zu joggen.“ Denn das was da gewöhnlich wolkig und wunderschön dem Sonnenaufgang entgegen trieb war in 90% der Fälle kein Nebel, sondern Smog. Wer einen guten Job hat, kann sich mit einer solchen Situation irgendwie arrangieren. Natürlich haben die Appartements und Autos der besser verdienenden Luftfilter. Natürlich kümmert man sich ab einer gewissen Einkommensklasse auch um die Bedürfnisse von Indoor-Joggern. Und selbstverständlich ist es etwas ganz anderes, wenn man es sich leisten kann, mit der Familie am Wochenende einfach mal ein paar Tage auf dem Land durchzuatmen. Von wegen, „beim Umweltschutz sitzen wir alle in einem Boot“. Die bittere Wahrheit ist: Die Oberschicht atmet am Ende des Tages im Zweifel nicht einmal die selbe Luft. Was für die Feinstaubbelastung zutrifft, lässt sich leider auch auf viele Nebeneffekte des Klimawandels übertragen. Wer reich ist, den wird es einfach anders treffen. Weniger hart.

Wenn wir über die Folgen der Klimakatastrophe sprechen, reden wir häufig darüber, dass ärmere Länder es schwerer haben werden. Wir sprechen ausgiebig über untergehende winzige Inselstaaten im Pazifik und dürrebedingte Migrationsbewegungen in der afrikanischen Sahelzone. Alle wissen: Die Folgen des Klimawandels sind nun einmal global nicht gleich verteilt. Und das ist Teil des Problems, warum Klimaschutzabkommen prokrastiniert werden. Wir sprechen aber kaum darüber, wie die Unterschiede innerhalb unserer Gesellschaft aussehen werden. Als wäre das nicht wichtig. Ich glaube ja, diese Frage ist extrem wichtig. Es hilft nämlich zu verstehen, warum die Motivation zum sofortigen Handeln auch innerhalb unserer Gesellschaft äußerst unterschiedlich verteilt ist. Und warum nettes Bitten einen ***** hilft.

Der Wohlstand der Anderen

Die Kosten der Verschmutzung werden sozialisiert, die Gewinne privatisiert. Es wird derzeit so getan, als sei dies eine Art unumstößliches Naturgesetz und wer zu laut „CO2-Steuer“ sagt, gilt gleich als „radikal“. Dass wir alle unserer Zukunft enteignet werden, ist nicht einmal einen Aufreger wert. Statt dessen fallen alle über Kevin Kühnert her. Das sagt leider sehr viel mehr über die Radikalität der derzeitigen Verhältnisse aus, als den meisten klar sein dürfte.

„Klimaschutz wird dann nur funktionieren, wenn unser Wohlstand dadurch nicht gefährdet wird“, sagte Peter Altmaier. Wirtschaftsminister. Und ich weiß nicht warum, aber mich beschleicht das Gefühl, dass Peter Altmaier und ich unterschiedliche Dinge meinen, wenn wir von „unserem“ Wohlstand sprechen. Geradezu gruselig ist, dass in Deutschland fast mehr über Plastiktüten und Kaffeebecher diskutiert wird als über den CO2-Ausstoß eines Kohlekraftwerks („Klimakiller No. 1“). Das erinnert ein wenig an einen dieser Kollegen, die sich immer in Details verzetteln und dabei das Projekt aus dem Blick verlieren. Ja, das sind alles Dinge, über die man auch reden sollte, sicherlich. Aber die Prioritäten sollten wo anders liegen. Aber wie gesagt, vielleicht meinen Peter Altmaier und ich einfach unterschiedliche Dinge wenn wir von „unserem“ Wohlstand sprechen.

Ich frage mich außerdem, was Peter Altmaier unter „Wohlstand“ an sich versteht. Zum Geburtstag wünsche ich meinen Eltern immer Gesundheit und langes Leben. Das ist das wichtigste. Das wertvollste. Etwas, das man nicht kaufen kann. Ich sage nicht: „Liebe Eltern, das mit der Gesundheit wird nur funktionieren, wenn unser Wohlstand dadurch nicht gefährdet wird.“ Aber im Kern geht es beim Klimaschutz genau darum. An Tagen mit Temperaturen über 30 Grad Celsius steigt die Sterberate im Schnitt um bis zu 10%. Dass Atemwegserkrankungen wie COPD in der Regel tödlich verlaufen und durch Feinstaubbelastung begünstigt werden ist ausgiebig erforscht. Hinzu kommen Häufungen von Extremwettersituationen. Experten befürchten, dass in einigen Ländern Bürgerkriege ausbrechen werden. Es ist extrem beschämend, dass Peter Altmaier über „Wohlstand“ diskutiert, wärend andere sich ums Überleben sorgen.

Ja, wir müssen über Wohstand reden. Aber anders. Und über Gerechtigkeit. Denn die klimatischen Kettenreaktionen die wir jetzt anstoßen sind mit keinem Geld dieser Welt umkehrbar. Doch wer über viel Kapital verfügt, wird den Klimawandel mit hoher Wahrscheinlichkeit anders (üb)erleben als der Rest. Das paradoxe an der Situation ist also: Wer ein Business-Modell verteidigt, dass einen direkten Beitrag zur Katastrophe leistet, gehört am Ende womöglich sogar zu denjenigen, die noch am besten wegkommen werden. Und trotzdem empört ihr Euch über Kevin Kühnert, weil er sich „traut“ zu sagen, dass der Kapitalismus nicht immer die besten Ergebnisse liefert? SRSLY? DAS ist EUER Problem?

Genug Luftschlösser

Über #FridaysForFuture wird ja gerne geschrieben, sie hätten unrealistische Forderungen. Heißt übersetzt: Wer im Jahr 2019 von den Regierungen dieser Welt das Abwenden der größten Katastrophe in der Geschichte der Menschheit erwartet, gilt als „Traumtänzer“. Mehr muss man eigentlich nicht über das „intelligente Leben“ auf diesem Planeten wissen.

Ich finde es ja auch geradezu putzig, wie einige FreierMarkt-Enthusiasten meinen, zu viel Regulierung würde die Innovationskraft der Wirtschaft abwürgen. Das Märchen geht so: „Wenn wir lange genug warten, dann kommt die unsichtbare Hand des Marktes und sorgt dafür, dass „die Wirtschaft“ das Problem am Ende doch noch lösen wird.“ Merkt ihr selbst, oder? Wie gesagt: Die Folgen des Klimawandels sind nicht gleich verteilt. Wer Geld hat, hat keine Schwierigkeiten seinen Lebensmittelpunkt zu verlegen. Oder eine neue Staatsbürgerschaft zu bekommen. Als wäre es vernünftig sich damit zufrieden zu geben, gerade noch so viel Lebensqualität für den Planeten zu retten, damit zumindest 2 der 7 Ferienhäuser einer CEO noch bewohnbar bleiben. Genau dieses Ergebnis würde nämlich ohne Regulierung zu erwarten sein. Im optimistischsten Szenario…

Niedlich sind auch die Fortschritts-Gläubigen, die meinen, der Mensch würde am Ende wie in einem dieser mäßigen Science-Fiction-Filme durch eine krasse Erfindung „just in time“ durch einen extrem unwahrscheinlichen „Plot-Twist“gerettet werden. In dieser bonbonbunten Welt machen schnöde Umweltgesetze also quasi nur den Spannungsbogen kaputt. OK, dass die Menschheit so ziemlich alles überleben wird glaube ich tatsächlich auch. Aber wer ist dann Teil dieser „Menschheit“? Leute, bekommt das mal in Eure Köpfe: Selbst wenn Elon Musk eine Kolonie auf dem Mars baut, werden 99,9999% der Menschen sich kein Ticket dafür leisten können.

Greta Thunberg hat absolut recht, wenn sie sagt: „I want you to panic.“ Das ist tatsächlich die einzig rationale Reaktion.

Wir sitzen nicht im selben Boot…

Die Folgen des Klimawandels sind nicht gleich verteilt. Das waren sie noch nie. Die Klimakatastrophe hat daher das Potential dazu, das größte sozialdarwinistische Experiment in der Menschheitsgeschichte zu werden. Denkt ruhig einmal wieder daran, wenn Euch ein Wirtschaftsvertreter in einer Talk-Show erzählt, dass Klimaschutz für ihn zwar ein wichtiges Thema sei und er schließlich auch Kinder habe… nur sehe man das Ganze eben nicht als ganz so dringlich…

Wir sollten uns in der Debatte um den Klimawandel einfach klar machen, dass wir nicht alle im selben Boot sitzen. Es gibt Leute, die werden eine Yacht haben. Und andere, denen man noch nicht einmal einen Rettungsring gönnen wird. Im Zweifel sind wir eher letzteres.

Link zu Bilder-Lizenz: CC BY 2.0


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4 Kommentare

  1. Dieses Sonnesystem wird so oder so unser Grab sein. Man sollte wenigstens ehrlich sein, denn, wie Cyril Darlington in „The Evolution of Man and Society“ schreibt: „the fate of man is probably extinction.“

    Daran ändert auch der Mars nichts, wenn sich am Ende unsere Sonne zu einem roten Riesenstern aufblähen und unser Sonnensystem zerstören wird. (Davon abgesehen ist der Mars lebensfeindlich, und ohne aufwendige High-Tec-Maschinerie läuft dort sowieso nichts — fällt diese aus, so droht der Tod.)

    Ohne Glauben gibt es keine Hoffnung, doch gerade bei den Piraten wird übers Christentum doch nur gespottet.

    Wie der kolumbianische Katholik Nicolás Gómez Dávila schreibt:

    Unsere Seele hat eine Zukunft.
    Die Menschheit hat keine.

  2. Man kann nach meiner Ansicht kaum genug über den Klimawandel sprechen.
    Vielen Dank für diesen Text!
    Wir sitzen insofern alle im selben Boot, als dass wir alle „Erdenbewohner“ (Der Begriff stammt aus „Grenzen“ von Dota) sind; dass wir aber aus einer anderen Perspektive betrachtet nicht im selben Boot sitzen, wird hier sehr interessant skizziert.

    Das Altmaier-Zitat hinsichtlich des nicht zu gefährdenden Wohlstands erinnert mich an etwas, was ich in letzter Zeit leider oft höre:
    Dass viele Menschen nur dann etwas an bzw. mit ihrem eigenen Handeln zu Ändern bereit sind, wenn es in keiner Weise Verzicht bedeutet.
    Ich halte das für bedenklich, da ohne Verzicht wohl kaum Veränderungen möglich sein können.
    Jeder von uns hat zahlreiche Möglichkeiten, bei sich selbst im Kleinen zu beginnen und so auch Vorbild für das eigene Umfeld sein zu können.

  3. Genau so sieht’s aus. Das Einzige, was man hier kritisieren könnte, ist, dass man sich die ******-Worte selbst dazudenken muss, und wenn ich mir „ficken“ oder „Scheiss“ dazudenke, ist es auch nicht weniger ordinär, als wenn’s da geschrieben steht, nur verlogener.

    Mein Eindruck ist, dass die Vermögenderen, die sich Folgen der Klimakatastrophe etwas angenehmer gestalten können werden, trotzdem im Durchschnitt ein etwas größeres Problembewusstsein haben. Z.B. haben die Grünen-Wähler im Schnitt deutlich mehr Bildung und Einkommen als CDU- oder SPD-Wähler. Es sieht nicht danach aus, als ob die Entscheider-Elite deswegen auf der Bremse steht, weil die ahnen, dass es für die nicht so schlimm wird. Es sieht eher danach aus, dass die Mehrheit der Menschen/Wähler intellektuell nicht dazu in der Lage sind, aus den reichlich zur Verfügung stehenden Informationen die richtigen Schlüsse zu ziehen. Die Menschheit ist offenbar zu großen Teilen noch nicht weit genug entwickelt, um mit einer Bedrohung dieser Ausprägung angemessen umzugehen. Es liegen halt nur irgendwelche diffusen Gefahren irgendwann in der Zukunft und um die abzuwenden, soll man jetzt Nachteile inkauf nehmen, obwohl man ja eh nur einen Bruchteil zu den globalen Emissionen beiträgt. Noch nicht mal diejenigen, die mittlerweile schon mit Atemmaske rumlaufen müssen oder deren Landsleute, die sich das nicht leisten können, gehen dagegen auf die Straße.

    Ich beteilige mich an den Aktionen von Extinction Rebellion. Ich fürchte, entweder die paar Leute, die begreifen, was auf dem Spiel steht, schaffen es, genügend Disruption für einen Politikwandel zu erzeugen, oder wir haben verloren. Denn der übliche demokratische Diskurs führt hier offensichtlich nicht zum nötigen Handeln, bevor es zu spät ist.

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