Betriebsrat stellt Angestellte unter Terrorverdacht

Manchmal braucht es gar keine Anzeige. Oder gar Verurteilung. Wenn der Terror-Scan anschlägt, können Beschäftigte ohne Gehalt freigestellt werden. Nein, das ist keine Utopie, das ist das Jahr 2015. Die Chefetage von Daimler hat verkündet, seine 280.000 Angestellten alle drei Monate ab sofort einem Terror-Screening zu unterziehen. Die Namen der Angestellten und Bewerber sollen routinemäßig mit den Terrorlisten aus der EU und den USA abgeglichen werden. Die Listen sollen bis zu sechs Jahre aufbewahrt werden dürfen. Das Ganze geht auf eine Konzernbetriebsvereinbarung zurück was bedeutet: Der Betriebsrat und damit die Gewerkschaft hat diesem unfassbaren Übergriff zugestimmt.

Warum das eine Ungeheuerlichkeit ist? Auf der so genannten Terrorist Screening Database (TSDB) der US-Behörden, befinden sich laut “The Intercept” insgesamt 680.000 Menschen. 280.000 sollen jedoch laut Eintrag in der Datenbank selbst keinerlei Verbindungen zu verdächtigen Organisationen haben. Die Mechanismen nach denen entschieden wird, wer angeblich Terrorist ist, sind mehr als fragwürdig und auch wer die Datenbank befüllt ist gar nicht so klar.

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Quelle: The Intercept

 

Denn zu allem Überfluss habe ich kürzlich auf einer einschlägigen Plattform eine schöne Anzeige gefunden. Selbstverständlich wurde die Befüllung und Betreuung der Terror-Watchlist in den USA längst an einen privaten Dienstleister ausgelagert. m(

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Wir haben also folgende Situation: Auf der Basis von undurchsichtigen Terrorgesetzen und ohne Kontrolle und Checks and Balances wird hier eine Datenbank maßlos mit Namen von Menschen befüllt die dann im schlimmsten Fall ein Arbeitsverbot dafür kassieren ohne sich wehren zu können oder ohne vorab zu erfahren, dass sie auf einer derartigen Liste gelandet sind. Die Mehrheit wurde nie verurteilt und wurde nicht angeklagt. Vor Gericht würden die „Beweise“ meist nicht zu einer Verurteilung reichen. J. Edgar Hoover hätte das nicht besser ersinnen können. Das ist in weiten Teilen eine Gesinnungskartei. Und dann kommt ein Konzern wie Daimler daher und sagt in Zusammenarbeit mit dem Betriebsrat, dass auf dieser Datenbasis Menschen gekündigt oder gar nicht erst eingestellt werden sollen.

Falsche Freunde, komischer Kommentar im Netz oder Familienverbindungen reichen dann womöglich um die komplette berufliche Zukunft in Schutt und Asche zu legen. Grüße an den Rechtsstaat. Ich wünsche den Beteiligten von ganzem Herzen, dass sie in Grund und Boden geklagt werden. 

Was kommt als nächstes? Verpflichtende Bluttests für Angestellte mit Abgleich der Biometriedatenbank? Oder vielleicht die Verfassungsschutz-Datenbanken – in NRW sind darin ja immerhin „nur“ 500.000 Menschen erfasst, da geht sicher noch mehr. Irgendwie wollen die umständlich gesammelten Daten schließlich genutzt werden. Wenn sie schon mal da sind…

Damiler-Vorsitzender Jörg Spies bezeichnet das Ganze als „einen Leuchtturm zum Schutz der Beschäftigten“. Mich würde interessieren wie um alles in der Welt ein Betriebsrat, der die Arbeitnehmerinteressen und nicht NSA-Gelüste vertreten soll, bei so einem himmelschreienden Wahnsinn die Hand heben konnte. Andere Unternehmen sollen bald folgen. Und so schreiten wir Hand in Hand in den Überwachungsstaat. Wetten die „Prüfung“ der Bewerbungen und der Datenabgleich werden auch outgesourced? Als hätten wir nicht schon genug Hilfs-Sheriffs aus der Wirtschaft.

Protipp: Den Betriebsrat kann man abwählen.


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6 Kommentare

  1. Wäre doch mal schön, wenn der Name eines hochrangigen Topmanagers von Daimler auf der Liste landen würde. Der dürfte dann ja auch sein Hütchen nehmen. Dann kommen sie vielleicht langsam auf den Trichter, dass das vollkommener Schwachsinn ist. Anders kann man es nicht mehr bezeichnen. Es tut weh, zu sehen, wie unsere Welt im „Sicherheitswahn“ alle Regeln verabschiedet. Im Grunde könnte man auch gleich jedem Menschen attestieren, dass er Terrorist sei. Mir passt seine Nase nicht: Terrorist. Ist Ausländer: Terrorist. Ist der Liebhaber meiner Frau: Terrorist …

    Dagegen muss endlich was bzw. mehr getan werden. Solche Praktiken dürfen in keiner Weise legal sein. Nach Edward Snowdens Enthüllungen müssen Taten folgen. Diese sich weiter ausbreitende Generalüberwachung muss gestoppt werden.

  2. Einmal mehr ein Indiz dafür, dass der Betriebsrat wohl an anderer Stelle irgendwelche Vergünstigungen erfährt. Wäre nicht das erste mal, dass ein BR als gelernter Radio-und Fernsehtechniker mit 250.000 € Jahresgehalt (Siemens) oder einer Lustreise (VW) belohnt wird.

  3. Vielen Dank für den Artikel!
    Mir stellen sich außerdem folgende Fragen:
    Wenn Unternehmen Zugriff auf diese Datenbanken bekommen, warum darf dann nicht jeder reinschauen? Ab welcher Größe bekommen die Unternehmen dieses Recht? Warum? Und dürfen sie auch Daten verändern? Werden sie damit nicht automatisch zu Hilfspolizisten?

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